Rezension

Mächenhafte Inselgeschichte

Rapunzel auf Rügen - Emma Bieling

Rapunzel auf Rügen
von Emma Bieling

Rapunzel, mit richtigen Namen Jessica, Berlinerin, Eigentümerin einer 1,25 m langen Haarpracht, aufstrebende Jungschauspielerin ereilt die akute Pleite, da sie einen Unfall mit einer Bratpfanne hat. Was also tun? Schnell ist ein Job auf Rügen bei einem ansässigen Seebestattungsunternehmen als Servicekraft gefunden um die ausstehenden Schulden zu tilgen. Doch schon der erste Arbeitstag weist die Tücken des Meeres, des Windes und einer Urne auf, so dass Rapunzel einen bleibenden Eindruck bei dem Sohn des Verblichenen hinterlässt. Hendrik scheint zum Dauerbesucher des Bestattungsschiffes zu avancieren, denn kurze Zeit später ist er wieder an Bord und hat nur Augen für Rapunzel.

ICH WILL URLAUB!!! Das ist das erste was mir einfällt, wenn ich das Buchcover von „Rapunzel auf Rügen“ sehe. Heller Sand, ein paar Dünen und Gräser, blauer Himmel und Meer im Hintergrund, Möwen, die ins Bild gleiten, ein einsamer roter Strandkorb, dazu ein rotes Papierschiffchen im Vordergrund und in schön geschwungener Schriftzug mit dem Buchtitel . *seufz* Ja, genau das will ich jetzt gerade haben! Alles sieht sehr harmonisch und sehnsuchtsvoll aus und Frau kann sich schnell denken, hier kommt eine kleine, feine Urlaubslektüre daher.

Wer hätte es gedacht, ich lese einen romantischen Frauenroman. Dachte ich. Musste mich aber korrigieren. Frech bezeichnet den Roman wohl besser. Rapunzel, die Heldin des Buches stolpert naiv gerne mal in das ein oder andere Fettnäpfchen. Ihr zur Seite steht neben den anderen WG-Bewohnern ihr bester Freund Richard, wie könnte es anders sein, ein schwuler Visagist. Und weil das Leben hart und ungerecht ist, wird Rapunzel nach einem Unfall von einem „Richter der Vegetarier war“ zu einem Schmerzensgeld verurteilt. Trotz der Plünderung des Kontos, welches für die Schauspielausbildung gedacht war, bleibt eine nicht unerhebliche Summe an Schulden zurück, die Rapunzel in die Arme eines Seebestattungsunternehmens auf Rügen treibt. Fern der Heimat muss sie sich neu orientieren und schnell einige erhebliche Veränderungen an sich selber vornehmen.

Emma Bieling spielt, ohne Frage, mit den Klischees eines Frauenromans. Eine langhaarige Protagonistin mit schwulen Freund, ein kleines Desaster hier und da, ein Held mit blonden Locken und ein vermeintlich böser Chef. Allerdings arrangiert sie all das sehr geschickt aneinander und fügt eine gehörige Portion Humor hinzu. Einen Humor, der mir bereits bei Kerstin Gier und ihren Romanen sehr gefallen hat. Langeweile kommt beim lesen nicht auf, eher trumpft die Autorin mit amüsanten Beschreibungen auf: „Ein schrill kreischender Mann, eingelegt in einer friesisch herben Duftwürze mit minziger Note, der selbst unter Wasser noch den sterbenden Schwan perfekt paddeln konnte …“ oder „Ich hielt die Luft an und spürte, wie der vorletzte Knopf meiner Bluse sich gegen die anatomische Ausbreitung des Brustgewebes stemmte. Ein tapferer kleiner Kerl, dieser Knopf.“

Dieser Humor zieht sich durch das ganze Buch und lässt den Leser des Öfteren mehr als nur Schmunzeln. An einigen Stellen dachte ich mir, so jetzt ist das Rapunzel auf dem richtigen Weg ins Happy End, doch dann überrascht mich ihre Schöpferin wieder mit einer neuen Wendung, so dass der Roman bis zum Schluss sehr unterhaltsam bleibt. Das Happy End, es sei vorweg genommen, ist in meinen Augen ein wenig naiv aber doch sehr charmant beschrieben.

Emma Bieling hat mit ihrem Buch das Rad nicht neu erfunden, zeigt aber, dass man mit der richtigen Mischung aus Idee und Wortwitz einen bezaubernden und ansprechenden Roman schreiben kann, der für mich das Prädikat „lesenswert“ hat. Eine Erweiterung ihrer Lesergemeinschaft denke ich, sollte nichts im Wege stehen und auch ich werde mir sicherlich den nächsten Roman gerne zu Gemüte führen.

Leseempfehlung? Natürlich!

Für wen? Strand- und Stadtträumer, Im-Café-bei-Sonnenschein-lesende, Inselurlauber oder einfach für entspannte Menschen mit Hang zu Liebe und Romantik.