Rezension

Familiendrama

Treibgut -

Treibgut
von Adrienne Brodeur

Bewertet mit 5 Sternen

 

Inhalt: Abby und Ken Gardner sind Geschwister die früh ihre Mutter verloren haben. Während sie sich in ihrer Kindheit aneinander festhielten, haben sie heute als Erwachsene eine schwierige und angespannte Beziehung zueinander.
Ihr Vater Adam Gardner, ein berühmter Ozeanograph, kämpft seit sie denken können mit einer bipolaren Störung. Kurz vor seinem 70. Geburtstag möchte er noch einmal den ganz großen Ruhm ernten und eine bahnbrechende wissenschaftliche Entdeckung veröffentlichen. Dafür setzt er seine Medikamente ab und bringt Ereignisse in Gang die die Familie in ihren Grundfesten erschüttern.

"Treibgut" spielt 2016 auf Cape Cod. Doch idyllische Sommervibes kommen nur bedingt auf während die scheinbar perfekte Kulisse der Gardners Risse bekommt.
Ich hatte einige Probleme in die Geschichte hineinzufinden. Der Schreibstil war mir zu hölzern, die Story zu wenig subtil, die Charaktere zu unsympathisch. Nach einem Drittel wollte ich eigentlich abbrechen. Doch während Adam und Ken charakterliche Kotzbrocken sind waren mir die Frauen, vor allem Abby, direkt sympathisch und das hat mich am Ball bleiben lassen. Am Ende bin ich dafür belohnt worden.

Der Fokus der Geschichte liegt eher auf der Charakterentwicklung als auf dem Vorantreiben des Plots und anfangs war mir das alles zu langsam. Nach und nach wurde allerdings deutlich wie wichtig die verschiedenen Erzählperspektiven sind um die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Ereignisse zu verstehen.
Denn das war für mich faszinierend und verstörend gleichzeitig: wie sehr (nicht aufgearbeitete) Traumata aus der Kindheit Menschen im Erwachsenalter noch immer beeinflussen können und wie unterschiedlich ein und dasselbe Erlebnis wahrgenommen bzw. verdrängt werden kann.

Auf den letzten ca. 60 Seiten nimmt die Story ordentlich Fahrt auf und alle losen Fäden laufen zusammen. Das Ende hat mich einerseits beklommen und gleichzeitig versöhnt zurückgelassen.
"Treibgut" ist ein Buch über Traumata, Schuld und Verantwortung aber auch über den Wert von Familie und deren Definition. Es erinnert an eine moderne, clever erzählte feministische Adaption der biblischen Geschichte von Kain und Abel und ist für mich eins der Bücher das mich spät, vielleicht sogar erst nach Beenden, sehr begeistert hat.

Übersetzt von Karen Witthuhn