Rezension

"Alles muss versteckt sein" von Wiebke Lorenz

Alles muss versteckt sein - Wiebke Lorenz

Alles muss versteckt sein
von Wiebke Lorenz

Bewertet mit 5 Sternen

Der Klappentext
Ihre Gedanken sind mörderisch, ihre eigene Angst davor unaussprechlich: Nach einem Schicksalsschlag erkrankt Marie an aggressiven Zwangsgedanken, betrachtet sich als Gefahr für sich selbst und andere. Monatelang kämpft sie gegen die grausamen Mordfantasien an, die wie Kobolde durch ihren Kopf spuken, ständig verbunden mit der Panik, sie könne diese furchtbar realen Fantasien eines Tages nicht mehr kontrollieren und in die Tat umsetzen. Und dieser Tag kommt, als Marie neben ihrem toten Freund erwacht, der mit einem Messer auf grausamste Weise niedergemetzelt wurde. Am Ende eines Gerichtsprozesses wird sie aufgrund ihrer Schuldunfähigkeit zum Maßregelvollzug in der forensischen Psychiatrie verurteilt. Dort sucht Marie verzweifelt nach Erinnerungen an die Mordnacht, denn für Marie selbst sind die Geschehnisse wie ausgelöscht. Nur ihr Arzt Jan scheint sie zu verstehen und ihr helfen zu wollen. Aber schon bald wächst in Marie der Verdacht, dass in Wahrheit vielleicht nichts so gewesen ist, wie es scheint …
[ Quelle: Blessing ]

Meine Meinung
Als ich das Buch das erste Mal gesehen habe, wusste ich, ohne auch nur den Klappentext gelesen zu haben: DAS muss ich haben. Das Cover ist einfach der Hammer und genau das, auf das ich anspring wie ne Glühbirne. Doch dann geschah, was jeder Bookaholic kennt: das Buch wandert zunächst einmal auf den SuB und musste da ein ödes Dasein fristen. Vor kurzem habe ich aber ohne groß Nachzudenken danach gegriffen und war auch gleich in der Geschichte drin.

Dabei beginnt das Buch so ganz anders, als man es im Genre Thriller/Krimi gewohnt ist. Normalerweise stirbt erst im Laufe der Handlung jemand und der Mörder wird dann verfolgt oder gesucht. Hier beginnt die Story aber bereits nach dem Mord, um den es geht und sogar schon nach der Verurteilung von Marie, die anscheinend ihren Freund erstochen hat.

Nach dem traumatischen Verlust ihrer 6-jährigen Tochter bekommt Marie Zwangsvorstellungen. Immer wieder stellt sie sich ungewollt vor, wie sie eines ihrer Kindergartenkinder auf grausame Weise umbringt. Als sie sich nach langer Zeit in der Isolation endlich wieder verliebt geschieht das, wovor sie sich am meisten gefürchtet hat: ihre Wahnvorstellungen richten sich gegen den Menschen, den sie am meisten liebt. Und plötzlich scheint ihr Mantra "Denken ist nicht tun" nicht mehr zu greifen, denn eines Morgens wacht sie im Blut auf.... neben sich ihren toten Freund. Marie weiß: auch wenn sie sich nicht daran erinnern kann, muss sie Patrick getötet haben.

Obwohl ich auf den Schreibstil meist nur stiefmütterlich am Schluss meiner Rezension eingehe, ist er mir dieses Mal einfach auf jeder Seite fast ins Gesicht gesprungen. Wiebke Lorenz erzählt ihre Geschichte immer aus Maries Sicht, wechselt dabei aber immer wieder zwischen Ich-Erzähler und auktorialem Erzähler hin und her. Sobald Marie von ihrer Vergangenheit erzählt, von der Zeit vor ihrer Tat, tut sie dies durch einen Ich-Erzähler. Ihre Geschehnisse innerhalb der Anstalt, also die Erlebnisse aus der Gegenwart, wird mit Hilfe des auktorialen Erzählers beschrieben. Anfangs war ich dadurch ein wenig irritiert, aber das hat sich schnell gelegt und dann fand ich es klasse. Es verdeutlichte nochmals die Spaltung von Marie, ihrem Leben und auch ihres Geisteszustandes. Sobald man sich daran gewöhnt hatte, war es wirklich eine Freude, das Buch zu lesen. Es machte vor allem auch deutlich, wie distanziert Marie sich in der Anstalt selbst gegenüber steht.

Dieses Buch unterscheidet sich in soviele Punkten von einem 08-15-Thriller. Neben dem außergewöhnlichen Schreibstil unterliegt diese Geschichte auch einem ganz ungewöhnlichen Tempo. Da der Mord ja vor Beginn des Buches ja schon geschehen ist, zieht sich zumeist ein recht gemächliches Tempo durch die Geschichte. Allerdings wurde es trotzdem nie langweilig, weil irgendwie ein unterschwelliges Geheimnis unter der Oberfläche brodelte. Obwohl die Autorin nie so recht Anhaltspunkte dafür gibt, weiß der Leser recht schnell, dass Marie die ihr vorgeworfenen Tat nicht begangen haben kann.

Man schließt sie ins Herz, weil sie in den Zeiten, in denen sie keine Zwangsvorstellungen hat, ein wirklich guter Mensch ist. Sie betrauert ihr eigenes Kind und hat als Kindergärtnerin auch ein unglaublich herzliches Verhältnis zu den Kindern, die ihr anvertraut sind. Ohne ihre Zwangsvorstellungen würde sie wahrscheinlich niemals einen schlechten Gedanken haben. Das erschwert es dem Leser zusätzlich, in ihr eine kaltblütige Mörderin zu sehen.

Zum Schluss hin zog zwar das Tempo kaum merklich an, aber die unschwellige Spannung wurde nervenzerreibend. Lange Zeit hatte ich nicht mehr einen derartigen Thriller in der Hand, bei dem es mir fast körperlich weh tat, wenn ich ihn aus der Hand legen musste.

Die Auflösung der ganzen Geschichte habe ich so absolut nicht vorhergesehen. Man hat zwar immer das ungute Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt, kommt aber nicht recht hinter des Rätsels Lösung. Ich hab während des Lesens immer mal wieder einige eigene Lösungen angedacht, aber auf die wahre Lösung bin ich tatsächlich nicht gekommen. Total gefesselt musste ich die letzten 40 Seiten am Stück verschlingen.

Mein Fazit
Bisher kannte ich Wiebke Lorenz nur als Teil des Autorenduos, das sich hinter dem Pseudonym "Anne Hertz" verbirgt. Doch mit Alles muss versteckt sein zeigt Wiebke Lorenz, dass sie nicht nur humorvolle Frauenliteratur schreiben kann. Ich hatte zwar mit einer ganz anderen Art von Buch gerechnet, doch die Geschichte konnte mich trotzdem total fesseln. Die Story ist unglaublich gut durchdacht und obwohl das Tempo niemals richtig rasant wird, war es über die ganze Länge des Buches unglaublich spannend. Zum Meckern gab es da tatsächlich nichts. Ein unglaublicher guter Thriller, mit dem sich Frau Lorenz nicht vor ihren namhaften Kollegen verstecken muss.