Rezension

Die Kinderlandverschickung

Der Kinderzug - Michaela Küpper

Der Kinderzug
von Michaela Küpper

Bewertet mit 4 Sternen

Deutschland in der Zeit von 1943 bis zum Ende des zweiten Weltkrieges. Die junge Lehrerin Barbara wird gemeinsam mit einer Gruppe Mädchen aus dem Ruhrgebiet an die Ostsee geschickt. Hier sollen die Mädchen in einer Art Internat lernen und sind gleichzeitig an vermeintlich vor Luftangriffen sicheren Orten. Zunächst entpuppt sich das Schulheim auch als sehr angenehme Überraschung, doch plötzlich sind sie auch an der Ostsee nicht mehr sicher und müssen das Gebäude verlassen. Es beginnt eine Odyssee, die alle bis an die eigenen Grenzen führt.

Meine Meinung

Ich muss an dieser Stelle zugeben, dass mir der Begriff der Kinderlandverschickung bis dato nicht bekannt war und als ich den Klappentext las, wollte ich einfach mehr darüber erfahren. Die Kinderlandverschickung wurde damals durchgeführt, um Kinder aus Gebieten, wie z. B. Großstädten, die für Bombenangriffe als besonders gefährdet galten, in vermeintlich sichereren Gebieten unterzubringen.
Michaela Küppers beschreibt intensiv von der damaligen Zeit, dabei wird auch gerade durch die gewählte Sprache die Zeit lebendig. Man fühlte sich beim Lesen zurückversetzt und man spürt sehr gut, dass die Autorin ihre Worte mit Bedacht wählt.
Aus insgesamt vier verschiedenen Perspektiven schildert die Autorin unterschiedliche Ansichten. Gerade das macht es für den Leser noch einmal deutlicher, mit welchen Umständen sowohl Kinder als auch Lehrer klar kommen mussten. Ich hatte hier das Gefühl, dass die Autorin wirklich viel Zeit mit intensiver Recherche verbracht haben muss, da alles so wirkte, als hätten diese Charaktere aus dem Roman, alles wirklich erlebt.
Die Geschichte beginnt noch recht ruhig, alles wirkt beinahe harmlos, denn zu Beginn der Schulzeit auf Usedom spürte man nur wenig vom Geschehen in Deutschland. Die Mädchen lernten, hatten Freizeit am Strand, genügend zu Essen und die Bedrohungen schienen beinahe schon unrealistisch. Doch so nach und nach passiert immer mehr, was klar werden lässt, dass es nicht annähernd so rosig ist, wie es zunächst scheint.
Der Hauptaugenmerk liegt auf den vier Charakteren, aus deren Sicht wir alles erfahren. Die junge Lehrerin Barbara stösst oft an ihre Grenzen und so manches mal scheint sie überfordert. Doch mit sehr viel Mut und Kraft stellt sie sich ihren Aufgaben und ich habe so manches Mal Respekt vor ihren Taten gehabt.
Die beiden Geschwister Gisela und Edith zeigen zwei weitere Perspektiven auf. Die ältere der Mädchen, Gisela, erzählt in einer Tagebuchperspektive vom Geschehen. Während ihre Erzählung zunächst noch wie ein Abenteuer eines Teenagers wirkt, spürt man hier deutlich die Veränderung. Die Sorge um die zurückgelassene Familie, zu der kaum bis keine Kontaktmöglichkeit gegeben war, wurde immer spürbarer. Aber auch die Sorge um die kleine Schwester Edith spricht immer wieder aus ihren Sorgen.
Die kleine Edith, mit zehn Jahren hier die jüngste der Protagonisten, hat mich besonders berührt. Das Heimweh, die Angst vor der Trennung, Angst, nicht von den anderen Mädchen akzeptiert zu werden, war auch bei ihr sehr intensiv spürbar und machte mich betroffen.
Zu guter Letzt ist da noch Karl, der im Nebenlager der Mädchen, gemeinsam mit vielen weiteren Jungs, auf Usedom untergebracht war. Er gibt noch einmal ein ganz anderes Bild vom Geschehen und ließ mich nachdenklich zurück.
Viele weitere Charaktere sorgen dafür, dass man noch intensiver über diese Ereignisse nachdenken musste.

Mein Fazit

Mit ihrem Roman “Der Kinderzug” bietet die Autorin Michaela Küppers einen ganz anderen Blick auf das Geschehen in Deutschland zur Zeit des zweiten Weltkrieges. Die Kinderlandverschickung dürfte wohl nicht nur mir eher unbekannt gewesen zu sein. Mit viel Gefühl und mit dem richtigen Gespür für die Darstellung ihrer Charaktere brachte die Autorin mich zum Nachdenken. Der Roman wirkt so authentisch, dass man schon glaubt, wirklichen Charakteren aus der Zeit zu lauschen.