Rezension

Frauenroman vor historischer Kulisse

Vardo - Nach dem Sturm - Kiran Millwood Hargrave

Vardo - Nach dem Sturm
von Kiran Millwood Hargrave

Bewertet mit 3 Sternen

Am Heiligabend des Jahres 1617 kommen vor der norwegischen Insel Vardø 40 Seeleute in einem plötzlichen Sturm um. Die heute östlichste Gemeinde der Finnmark verliert auf einen Schlag alle erwachsenen, arbeitsfähigen Männer, zurück bleiben nur Frauen, Alte und Kinder. Doch statt eines tatkräftigen Handwerkers, der die Frauen von Vardø unterstützen könnte - wird ihnen ein fanatischer Hexenjäger geschickt.

Ebenso wie die unnachgiebige Härte, mit der im 17. Jahrhundert in Vardø Hexen verfolgt und in der Festung Vardøhus gefangengehalten werden, ist das Schiffssunglück historisch belegt. Vor diesen historischen Ereignissen entwickelt Kiran Millwood Hargrave die zarte Liebesgeschichte zwischen Ursa Cornet, der Frau des offiziellen Hexenjägers, und der Einheimischen Maren, die auch bei dem Schiffsunglück ihren zukünftigen Ehemann verloren hat. Die Hexenverfolgung diente zugleich der Bekämpfung der samischen Kultur, die vom Lensmann des Bezirks für Hexerei/Schamanismus gehalten wird. Verfolgt wird als Angehörige der Samen u. a. Marens Schwägerin Diinni. Absalom Cornet stammt von den Orkney-Inseln, spricht noch kaum Norwegisch und kontrolliert seine Frau mit unnachgiebiger Härte. Mit dem Schiffskapitän, der das Paar von Bergen aus in den Norden bringt, darf sie kein Norwegisch sprechen, damit ihr Ehemann ihre Gespräche kontrollieren kann, er öffnet ihre Post und lässt sich ihre letzten Münzen auszahlen. Dass Absalom die resolute Maren nur ungern als Vertraute seiner Frau duldet, verwundert also nicht.

An den - im Präsens erzählten - Roman habe ich die falsche Erwartung gehabt, dass sein Hauptthema das Überleben und die Gemeinschaft der Inselbewohner/innen sein würde. Als Frauenroman vor historischer Kulisse streift das Buch leider die für mich interessanten Themen nur am Rand, z. B. wie sich die Frauenrolle bis zum Eintreffen von Cornet bereits verändert haben könnte. Mit dem Wissen, dass König Christian IV. von Norwegen-Dänemark entschieden die Christianisierung der dünn besiedelten Gegend betrieb, könnte man sich auch fragen, welche tatsächliche Hilfe die Kirche den verwitweten Frauen zu bieten gehabt hätte.

Hexenverfolgung in Vardø