Rezension

Alles ganz normal...

Das Vermächtnis unsrer Väter - Rebecca Wait

Das Vermächtnis unsrer Väter
von Rebecca Wait

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Mann tötet seine Frau, seinen Sohn und danach sich selbst. All das geschah vor 20 Jahren auf Litta, einer abgeschieden Insel der Hebriden. Nur Thommy, der zweite Sohn hat dieses Verbrechen überlebt. Nach dieser langen Zeit kehrt Thomas zurück auf die Insel, zu seinem Onkel Malcolm.

Und mit Thomas kommen auch die Erinnerungen an die Ereignisse der Vergangenheit zurück.

„Hätte Katrina überlebt, hätte sie hinterher gesagt, was Menschen in solchen Fällen immer sagen: dass es ein Tag gewesen sie wie jeder andere. Alles ganz normal.“

Es sind oft die ersten Sätze, die mich an ein Buch binden. Wenn dieser erste Satz so tief in den Kern einer Geschichte eindringt, erst recht. Alles ganz normal: Eine normale Familie, Mutter, Vater, zwei Söhne. Nach außen hin. Was unter der Oberfläche verborgen ist, lässt sich erahnen, wenn man genau hinschauen möchte. Nur wer will schon hinsehen, ganz genau.

Es ist ein raues, karges Umfeld auf dieser Insel Litta. Ein abgeschiedener Ort, jeder Mensch für sich gesehen eine kleines Ebenbild dieser Insel. Als Thomas eines Tages vor der Tür seines Onkels steht, weiß niemand, warum er eigentlich zurückgekommen ist. Ganz vorsichtig, wie ein brüchiges Stück Papier, herausgerissen aus einem Lebensbuch, entfaltet die Autorin diese Geschichte. Dabei kommt sie diesen unnahbaren Charakteren langsam und behutsam näher, betrachtet sie von allen Seiten.

Die schottische Autorin Rebecca Wait hat mit diesem kleinen Roman „Das Vermächtnis unsrer Väter“ eine Geschichte erzählt von Schuld, Verdrängung, von in Verstoß geratenen Erinnerungen, von Verantwortung sich selbst gegenüber und gegenüber derer, die man liebt. Sie erzählt von dem Kind Thommy, dem die Vergangenheit eine Last aufgeladen hat. Von Thomas, der als Erwachsener noch immer schwer an dieser Last zu tragen hat. Aber sie erzählt auch von Katrina, der Mutter, deren Welt geschrumpft ist, als sie ein Leben mit einem Mann teilte, der Kontrolle für Liebe hielt. All das muss uns die Autorin erzählen, weil die Menschen, die es betrifft, nie gelernt haben über die Unfassbarkeit des Geschehens zu sprechen.

Rebecca Wait hat mit diesem kleinen Roman Herzensbuch für mich geschrieben. Ein Buch, in dem so wenig miteinander gesprochen und trotzdem so viel erzählt wird. Stellvertretend für seine Protagonisten lässt sich das Buch umarmen und ins Herz schließen.