Rezension

Alter Bestseller neu übersetzt, wieder aktuell und amüsant

Die Abenteuer der Cluny Brown - Margery Sharp

Die Abenteuer der Cluny Brown
von Margery Sharp

Bewertet mit 4 Sternen

Mit seiner im März erschienenen Neuübersetzung des 1944 erstmals veröffentlichten Romans „Die Abenteuer der Cluny Brown“ erinnert der Eisele-Verlag an die zu Unrecht in Vergessenheit geratene britische Schriftstellerin Margery Sharp (1905-1991). Die Bestseller-Autorin veröffentlichte fast 30 Romane und Erzählungen, drei Theaterstücke und ein Dutzend Kinderbücher um „Miss Bianca“, die Vorlage zu Walt Disneys Zeichentrickfilm „Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei“. Auch manche ihrer Romane wurden verfilmt, so als erster 1946 der Roman „Cluny Brown“ unter dem Titel „Cluny Brown auf Freiersfüßen“.

Dieser amüsante und nur scheinbar lockere Roman erzählt vom Leben der als Waise bei Onkel und Tante aufgewachsenen Cluny Brown, die nicht gewillt ist, den ihr gesellschaftlich zustehenden Platz einzunehmen, sondern auf unkonventionelle Art ihren Lebensweg zu meistern versteht. Ihr Vormund, ein Klempner, schickt die 20-Jährige als Dienstmädchen auf den Landadelsssitz Friars Carmel in Devonshire. Dort trifft die junge Frau auf Sir Henry und Lady Carmel, die eigentliche Herrscherin über das Gut, sowie Sohn und Erbe Andrew, der den gleichaltrigen polnischen Intellektuellen Adam Belinski auf dem Landsitz vor den Nazis versteckt, und Andrews Londoner Freundin Betty, eine verzogene junge Dame aus reichem Hause, mit der er die Partys der Londoner Gesellschaft besucht. Während England sich auf den drohenden Krieg gegen Nazi-Deutschland vorbereitet und schon jetzt das traditionelle Gesellschaftsgefüge spürbar wankt, scheint in der englischen Provinz auf Friars Carmel die Zeit stehengeblieben zu sein. Sir Henry reitet wie seit Jahrzehnten alltäglich aus, Lady Carmels Leben erschöpft sich in der Schaffung täglich neuer Blumengestecke, das Hauspersonal bleibt an dem ihm zustehenden Platz.

Auch Cluny versieht ihre Aufgaben als Dienstmädchen, doch lässt sie sich nicht auf ihre niedere Stellung reduzieren. Sie bricht gesellschaftliche Schranken, begegnet allen Menschen auf Augenhöhe – lebensfroh und unerschrocken. Sie ist weder hübsch noch gebildet, eher naiv und unbedarft, aber ein „ehrlicher Kerl“: Sie sagt, was sie fühlt; sie sagt, was sie denkt. So gewinnt sie die Liebe des schüchternen Dorfapothekers, der sie zur Freude von Clunys Vormund heiraten will und ihr damit eine gesellschaftlich höhere Stellung ermöglichen würde.

Cluny Browns Handeln scheint für andere oft spontan und unüberlegt. Sie lässt sich nicht durch gesellschaftliche Zwänge und Konventionen leiten, sondern folgt mutig und entschlossen ihren Gefühlen, wohin auch immer sie diese bringen werden. Der 75 Jahre alte Bestseller „Die Abenteuer der Cluny Brown“ ist ein historischer Gesellschaftsroman, der durch seine Neuübersetzung in flottem Sprachstil nicht nur angenehm zu lesen ist, sondern auch inhaltlich wieder an Aktualität gewonnen hat. So amüsant und unterhaltsam er auch wirkt, ist es zugleich ein Aufruf, sich selbst zu verwirklichen, den eigenen Weg zu suchen, sich nicht von anderen beherrschen und von ihnen den Lebensweg vorgeben zu lassen. Cluny Brown versteht es - trotz unzureichender Ausbildung und Förderung - allein durch Herzensbildung, Offenheit, Ehrlichkeit und Spontanität das für sie Beste aus ihrem Leben zu machen, am Ende sogar in eine für sie völlig neue Welt und neue Zeit aufzubrechen.