Rezension

Auf der Suche nach der Wahrheit

Im dunklen, dunklen Wald
von Ruth Ware

Bewertet mit 4 Sternen

Als die sechsundzwanzigjährige Leonora, genannt Nora, unverhofft von einer Freundin ihrer ehemaligen Schulfreundin Clare zu deren Junggesellinnenabschied eingeladen wird, ist diese zunächst völlig verblüfft, denn sie hat schon seit zehn Jahren nichts mehr von Clare gehört. Gemeinsam mit Nina, einer weiteren Freundin aus Schultagen, beschließt sie, an der Party teilzunehmen, denn sie ist durchaus neugierig, warum sie eingeladen ist. Geplant ist ein Wochenende in Northumberland in einer einsam gelegenen Waldhütte. Dort angekommen lernen sie Flo kennen, Clares neue beste Freundin, die das komplette Wochenende schon durchgeplant hat. Alles nimmt seinen Lauf und das Wochenende plätschert nur vor sich hin und keiner hat so richtig Lust, bis dann etwas geschieht, was keiner geahnt hat.
Meine Meinung:
Irgendwie hatte ich mir das Buch ein wenig anders vorgestellt, wobei es durchaus gut und flüssig geschrieben wurde. Allerdings kommt die Geschichte nur langsam in Schwung und ich fragte mich immer mal wieder, wozu das ganze Geplänkel denn gut sein sollte. Denn der komplette Junggesellinnenabschied mutet eher wie ein Kindergeburtstag mit Alkohol und Drogen an. Dadurch hatte ich allerdings sehr gute Gelegenheit, die einzelnen Charaktere kennenzulernen, aber richtig einschätzen konnte ich sie alle nicht. Genau das ist auch das, was diesen Thriller dann wieder durchaus spannnend werden läßt, denn während des Lesens kreisten mir permanent Fragen im Kopf herum, wozu jetzt was und wie gemacht wurde, was ist wirklich in der Vergangenheit passiert? Warum haben Clare und Nora sich überworfen? Wer ist diese Flo, die Clare imitiert und so gar nicht zu der jungen Frau zu passen scheint? Dabei bekommt man durch die Autorin nur immer wieder winzig kleine Puzzleteile als Antwort zugeworfen, die dann eine Frage beantworten und gleich drei neue entstehen lassen. Auch viele kleine Wendungen im Geschehen ließen mich immer wieder innehalten und überlegen. Der komplette Thriller ist somit eher ein geschicktes Psychospielchen, hinter dessen Lösung ich tatsächlich erst ganz am Ende kam. Sprachlich konnte mich das Buch völlig überzeugen, denn es ist gut verständlich, ohne viele Schnörkel. Das Spannungslevel oder besser noch die actionreiche Handlung war zunächst sehr flach gehalten, trotzdem wollte ich unbedingt wissen, was denn da wirklich passiert ist. Die Autorin versteht es auch sehr gut, eine prickelnde Atmosphäre zu erzeugen, denn bei einem Ereignis im Haus hatte ich absolute Gänsehaut. Das ganze Setting war für mich überaus präsent, denn ich konnte schon sehr gut dieses einsame Haus im Wald vor mir sehen, genauso wie alle Personen. Erzählt wird das Ganze aus Noras Sicht, beginnend in der Gegenwart, in der sie in einem Krankenhaus zu sich kommt, erlebt man das Geschehen durch ihre Erinnerungen. Doch diese Erinnerungen sind getrübt, da Nora durch einen Unfall ihr Gedächtnis zum Teil verloren hat. So hatte ich, genau wie Nora immer nur Bruchstücke des Geschehens, die ich zusammensetzen musste. Besonders geschickt ausgefeilt fand ich die einzelnen Charaktere, von denen jeder Einzelne undurchschaubar blieb und jeder etwas zu verheimlichen hatte. Sei es Nora, Clare oder Flo, jeder von ihnen brachte mich zum Grübeln und je mehr ich versuchte, sie zu verstehen, desto undurchdringlicher wurden sie. Nora machte auf mich zunächst noch den normalsten Eindruck, wobei ich auch bei ihr lange Miträtseln musste, was so Schreckliches passiert ist. Clare ist eine Person mit einem sehr großen Geltungsbedürfnis, die schon als Teenager extrem geschickt darin war, andere Personen zu manipulieren. Flo, die Organisatorin, machte einen völlig gestörten Eindruck und ich musste häufiger den Kopf schütteln. Nina mit ihrer sarkastischen Ader war mir gleich von Beginn an sympathisch. Tom und Melanie bleiben die Randfiguren, die zwar ein wenig Leben abbekommen, aber blass bleiben, was der Geschichte aber keinen Abbruch tut. Aber gerade durch diese Charaktere wurde alles ein Verwirrspiel, das mich im Endeffekt wirklich beeindrucken konnte. Denn die Auflösung kommt wirklich erst am Schluss und man hat zwar immer wieder zwischendurch den Eindruck, ah ja, jetzt hab ich es und doch kommt es wieder anders.
Mein Fazit:
Sprachlich sehr gut und auch durchweg flüssig zu lesen hat mir dieser Thriller im Gesamtbild sehr gut gefallen. Leider dauert es einfach zu lange, bis sich wirklich was tut rein von der Action her gesehen. Trotzdem musste ich beim Lesen aufmerksam bleiben, denn die kleinen Puzzlestückchen, die man zugeworfen bekommt, machen diesen Thriller erst aus und die sollte man auch nicht verpassen. Somit fand ich es durchweg unterhaltsam, nur einfach etwas langatmig, wobei Wendungen innerhalb des Geschehens und geschickt ausgefeilte Charaktere der Geschichte Leben verpassen. Wer einen Thriller bevorzugt, bei dem das Blut aus den Seiten tropft und bei dem man vor Anspannung die Zehen in das Sofa bohrt, der ist hier nicht richtig. Wer aber clever ausgearbeitete Charaktere sucht und Psychospielchen mag, der wird hier durchaus gut bedient. Für mich persönlich war das Geschehen in der Hütte ein kleines bisschen zu lang, wobei es durchaus perfekt wiedergibt, wie es den Charakteren dort ging und ich konnte mich dadurch auch sehr gut in Nora versetzen. Von mir gibt es eine Leseempfehlung an alle, die gerne Geheimnissen auf der Spur gehen und kleine Rätsel und Verwirrspiele lieben.