Rezension

Aus dem Alltäglichen entspringt Veränderung ...

Big Sky Country -

Big Sky Country
von Callan Wink

Bewertet mit 5 Sternen

Bonnie und Darwin haben jung geheiratet und sind früh Eltern des kleinen August geworden. Doch Bonnie wird nur kurzfristig glücklich. In jeder freien Minute lernt sie aus ihren alten Büchern in der Hoffnung, ihr unterbrochenes Studium irgendwann fortsetzen zu können. Als August 15 ist, schafft seine Mutter den Absprung von der Farm in Michigan, lässt sich scheiden, holt ihr Examen nach und zieht mit August nach Montana. Auslöser für Bonnies Fernweh nach Montana war der Film „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“. Wie damals, als sie zu einem Farmer in den elterlichen Betrieb zog, springt sie wieder auf ein Klischee an, ohne sich Genaueres darunter vorstellen zu können. August hatte gerade schätzen gelernt, was ihm seine Heimat zu bieten hat – Angeln, Jagen, die Befriedigung schwerer körperlicher Arbeit auf der Farm, Führerschein mit 16 und damit die Aussicht auf eine erste Liebe. Aus einer ländlichen Gegend wird er in eine andere verpflanzt und verliert alles. Dass er zugleich Abschied von seiner Kindheit nehmen muss, macht den Bruch mit Michigan nicht gerade leichter. Wie andere seines Jahrgangs auch muss der junge Mann entscheiden, ob er bei seinem Vater auf der Farm arbeiten will, an einer öffentlichen Universität studieren oder etwas ganz anderes tun will. Gehen oder Bleiben, Studieren oder sofort Geld auf die Hand aus einem Hilfsjob, feste Beziehung oder Fernbeziehung – Bonnies Lebenslauf hat gezeigt, dass man jede Entscheidung bald wieder bereuen kann. Augusts Vater macht seinem Sohn offensichtlich die Arbeit auf der Farm schmackhaft, das beantwortet jedoch nicht die Frage, ob der Betrieb dauerhaft überhaupt ein altes und ein junges Bauernpaar ernähren kann.

Ein Job auf einer fremdem Farm, bei Ancient und Kim, konfrontiert August wieder mit einer neuen Umgebung, aber auch mit der Anerkennung eines fremden Chefs für Augusts zuverlässige Arbeit.

Callan Wink zeichnet seine heranwachsende Hauptfigur mit allen Fehlern, Ecken und Kanten, lässt August in der Provinz Gewalt, Verschwörungsmythen und ultrakonservative Weltanschauungen erleben. Auch bei Ancient wird sich die Frage stellen, ob der Hof langfristig einen festangestellten Arbeiter finanzieren kann. Kann er es nicht, muss August einen anderen Weg einschlagen. Aus europäischer Sicht ist für mich das gezeigte Hangeln zwischen Aushilfsjobs ungewöhnlich. Wir sind es gewöhnt, den möglichen Nachfolger/die Nachfolgerin eines Betriebs in der Fremde eine Lehre abschließen zu lassen. Sollte sein/ihr Vater noch so jung sein wie Darwin, drängt die Entscheidung zur Hofübernahme selten.

Vor den historischen Ereignissen der Bush-Regierung im Hintergrund wird August erwachsen und fühlt schließlich wieder die Bindung an eine Landschaft, in der man auf dem Rücken liegend glauben kann, einem gehörte der gesamte Himmel. Warum Menschen aus Montana ihren Staat für den Mittelpunkt der Welt halten, das hat Wink mir mit Augusts Geschichte nahegebracht. Als Fan von „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“ bin ich leichte Beute für ihn …