Rezension

Authentisch und fesselnd

Die Bagage - Monika Helfer

Die Bagage
von Monika Helfer

Was passiert, wenn eine Autorin ihre Familiengeschichte erforscht und unglaublich Dramatisches ans Licht kommt? Sie schreibt einen besonders eindringlichen Roman. Einen wie Monika Helfers „Die Bagage“.

 

Über dem einsamen Haus scheint nie die Sonne. Schon dieser Satz aus dem Romananfang macht allen Lesern deutlich: Trotz des Titels wird „Die Bagage“ keine amüsante Familienposse. Monika Helfer breitet das ganz große Drama vor uns aus. Happy Ends sind da nicht vorgesehen.

 

Die bitterarme Familie Moosbrugger lebt in einem finsteren Tal des Bregenzerwalds. Die junge bildhübsche Mutter Maria und der „fesche“ Vater Josef haben (anfangs) vier Kinder. Sie leben in ihrem winzigen Bauernhaus ohne Strom und fließendes Wasser zwar arm, aber eigentlich ganz zufrieden und glücklich.

Der Erste Weltkrieg fährt dazwischen, Vater Josef wird einberufen. Zum Wächter über seine Familie (und besonders über seine traumhaft schöne Frau) bestellt er ausgerechnet den Bürgermeister – und macht damit, wie sich erweisen wird, den Bock zum Gärtner. Als kurzzeitig auch noch ein junger Deutscher Maria den Hof macht, gibt es für den Dorftratsch kein Halten mehr. So kommt es, dass die Familie, als Josef aus dem Krieg zurückkehrt, vor den Trümmern ihres Glücks steht.

 

Monika Helfers schmaler Roman ist in reduzierter und klarer, lakonischer und eindringlicher Sprache geschrieben, gleichzeitig aber arm an Höhepunkten. In mehreren Passagen schleppt sich die Handlung so mühsam voran, als liefe man den steilen Steig zum Hof der Moosbruggers hinauf. Natürlich ist die erbärmliche Not, die der Krieg allen bringt, umso schlimmer, je ärmer die Menschen vorher schon waren. Kein Wunder also, dass es Maria und ihre Kinder besonders hart trifft: Sie leiden Hunger und sind erpressbar, weil auf Hilfe angewiesen. Das alles ist nicht neu und in Helfers Buch sicher nicht das erste Mal zu lesen.

 

Etwas Besonderes ist die Geschichte doch, denn Marion Helfer erzählt damit ihre eigene. Maria und Josef Moosbrugger waren ihre Großeltern. Deren Leben wurden in der Familie immer wieder erzählt, die ergiebigste Quelle ist Tante Katharina, Kathe, die am Anfang des Buches ein kleines Kind ist. Viele Jahre später nimmt sie Monika und ihre Geschwister zu sich. Hochbetagt legt sie manches Geheimnis über die Familie, über die Eltern und Großeltern, über die Zeit des Ersten Weltkriegs offen.

 

Erst die Authentizität ihrer„Nachforschungen“ machen Helfers rund 160 Seiten starken Roman so fesselnd. Erst das Vertrauen, dass es wirklich so gewesen sein könnte, macht diese Geschichte voller düsterer Ahnung und Ängste, ohne den Hauch einer falschen Idylle und ohne jeden Ansatz von Glück zu einem ungewöhnlichen Leseerlebnis.