Rezension

AZIM BONANGA!

Der Sommer mit Pauline - Ivan Calbérac

Der Sommer mit Pauline
von Ivan Calbérac

Bewertet mit 5 Sternen

Humorvoll, charmant, französisch

Der 15 jährige Émile ist unsterblich verliebt. Ihn hat es so sehr erwischt, dass er Pauline sogar bis nach Venedig folgen will. Die hat ihn nämlich zu einem Konzert eingeladen, wo sie in einem Jugendorchester Geige spielt.
Die Eltern erlauben die Reise, allerdings beschließen die kurzerhand Émile nach Venedig zu begleiten. Und mit Sack und Pack, und im nervenauftreibenden Schneckentempo, macht sich die Familie auf den Weg, zu Émiles ersten richtigen Date.

Ich habe irgendwo gelesen, dass dieses Buch in Frankreich schon diesen Sommer als Film erscheinen soll. Das wundert mich kein bisschen, denn diese Geschichte hat eigentlich alles, was eine gute Geschichte braucht. Da ist es nur logisch sie auf die Leinwand zu bannen.

Das ganze Buch ist ein Tagebuch, und somit ist Émile auch der einzige Erzähler. Das alles geschieht selbstverständlich in der Ich-Form, die einzelnen Kapitel sind in Tagen aufgeteilt.
Was mir an Émile sofort gefiel war die Art, wie er einfach drauflos plappert, oder besser gesagt, drauflos schreibt. Alles was er erlebt und jeden seiner Gedanken hält er in seinem Tagebuch fest.
Émile hat einen wunderbaren Humor, und wenn er verzweifelt ist, was zugegeben ziemlich oft passiert - eigentlich immer wenn es nicht so läuft, wie er sich das vorstellt (was es nie tut) - lässt er seinen Hang zur maßlosen Übertreibung freien Lauf. Oh, er kann das sehr gut, übertreiben: Die schlimmsten Tode ist er auf den Weg nach Venedig gestorben.
Émile kann wunderbar mit Worten umgehen und wird in seinen Überlegungen manchmal richtig philosophisch.

ZITAT:
Manchmal hat man so viele Fragen, die einem im Kopf herumschwirren, und so was von niemanden, dem man sie stellen kann, und dann liege ich im Bett und starre an die Decke und kann nicht schlafen. Gegen vier oder fünf döse ich aber doch ein. In Sachen Schlaflosigkeit bin ich noch Anfänger. Und wenn ich morgens aufwache, sehe ich ein bisschen klarer, aber nur weil ich die Fragen vergessen habe. Jedenfalls für den Moment.
Aus "Der Sommer mit Pauline" von Ivan Calbérac, Kapitel: Mittwoch, 14. März

Auf der Reise selbst, geschehen die verrücktesten Sachen. Unglaubwürdig wird es aber trotzdem nie. Oft genug gibt es Wendungen die man so, niemals voraus sehen konnte.
Die Figuren werden durch Émiles Texten wirklich. Nach und nach lernt man sie immer besser kennen. Selbst Émile lernt neue Züge an seiner Familie kennen, von denen er bisher nichts geahnt hatte. Ein gutes Stück erwachsener wird er über die paar Tage. Und als Leser lacht und leidet man nicht nur mit Émile, sondern schließt einige der Anderen auch noch in sein Leserherz mit ein.
Dazu hat der Autor diese spezielle französische Art zu erzählen, die ich so liebe. Die, die immer alles so leicht und charmant macht. So französisch eben.

ZITAT:
Dass Erinnerungen manchmal guttun, sollte man auch mal festhalten, weil man ja meistens das Gegenteil im Kopf hat. Aber es gibt welche, die sind wie blaue Flecken, nur umgekehrt: Wenn man draufdrückt, fühlt man sich besser. Ist schon verrückt, dass etwas längst Vergangenes so gegenwärtig sein kann, vor allem wenn man Angst vor der Zukunft hat.
Aus "Der Sommer mit Pauline" von Ivan Calbérac, Kapitel: Samstag, 14. April