Rezension

Back to the roots

Der Gott am Ende der Straße - Louise Erdrich

Der Gott am Ende der Straße
von Louise Erdrich

Bewertet mit 4 Sternen

Gebärfähige Frauen werden von einem merkwürdig religiös motivierten Regime verfolgt und unterdrückt. Bei diesem Thema denkt man sofort an den „Report der Magd“, an dessen riesigen Erfolg viele glücklos anzuknüpfen versuchen. Louise Erdrich hätte tatsächlich das Zeug dazu und versucht sich hier an einem Stoff, den man nicht von ihr erwartet. 

Das Szenario ist höchst originell. Die Evolution hat ihre Grenzen erreicht und entwickelt sich rückläufig und das in einem unglaublichen Tempo. Menschen, Tiere und Pflanzen verändern sich rasant. 
In dieser Welt stellt Cedar fest, dass sie schwanger ist. Plötzlich muss sie untertauchen, ständig verfolgt von den Behörden und immer in Angst vor „präpartaler Ingewahrsamnahme“. Ob ihr Kind ein gesundes Menschlein sein wird, weiß sie auch nicht. Alles ist möglich, auch, dass sie die Geburt nicht überlebt. 
Dieses Buch ist ein Brief an ihr ungeborenes Kind, der ihm erklärt, woher es kommt und unter welchen Umständen es zur Welt gekommen ist. 

Zu Anfang des Buches ist die Katastrophe noch frisch und so schlittert der Leser mit Cedar zusammen langsam aber sicher in eine höchst befremdliche Situation. Louise Erdrich erzählt gefühlvoll und eindringlich und schafft in wunderbarer Sprache eine höchst beklemmende Atmosphäre voller Verwirrung und Verzweiflung. 
Hier weiß man lange nicht, was das Problem ist, aber die Bedrohung ist überall spürbar, Cedars Flucht höchst spannend. Dieses Buch fesselt. 
Allerdings bleibt der dystopische Hintergrund ausgesprochen schwammig. Ab und an bekommt man mal ein paar erläuternde Brocken hingeworfen, aber offensichtlich scheut sich die Autorin davor, Stellung zu beziehen. Warum geht eine rückgewandte evolutionäre Entwicklung so schnell? Was ist dort für ein seltsames Regime an der Macht und was bezwecken sie damit, Mütter und Kinder zu internieren? Man bekommt Andeutungen, die aber nicht so recht zusammenpassen wollen. 

Dieses Buch erzählt eine fesselnde und beklemmende Geschichte, verwebt sie auf verschiedenen Ebenen mit klugen Gedanken zur Herkunft der Menschen, verquickt das Thema mit religiösen Motiven und baut auch einen Umweltaspekt ein. Leider habe ich es nur im Ansatz verstanden, bin aber wieder einmal beeindruckt von der sagenhaften Erzählweise der Autorin, die den Leser mitreißt, auch wenn er nur die Hälfte versteht. Das kann nicht jeder.