Rezension

Bedrückend und fesselnd

Die Gewitterschwimmerin - Franziska Hauser

Die Gewitterschwimmerin
von Franziska Hauser

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist wieder Buchpreiszeit! Mein Verhältnis zu den nominierten Büchern ist recht zwiegespalten, aber ich freue mich trotzdem jedes Jahr aufs neue auf die Long- und Shortlist. Nach einem Blick in die Leseproben, hat mich „Die Gewitterschwimmerin“ am meisten angesprochen. Und ich muss sagen: Dieses Buch hat mich ziemlich beeindruckt!

Franziska Hauser gibt ihrer Haupcharakterin Tamara Hirsch eine wunderbar schnodderige Berliner Schnauze. Sie ist sperrig aber unerschrocken, hat eine große Klappe und einen enormen Freiheitsdrang. Die DDR engt sie ein, die Sorge um ihre depressive Schwester nimmt sie mit und die Lieblosigkeit ihrer Mutter konnte sie ihr nicht verzeihen. Aber sie ist trotzdem nie um ein Wort verlegen, ist kreativ, unvernünftig und lebendig auch wenn Alltag und Vergangenheit ihr mal zu schwer zu werden drohen.

Die Geschichte dreht sich zum einen um Tamaras Leben in der DDR, ihre Kindheit und Jugend aber auch um ihren Vater Alfred, den Kommunisten, der im Zweiten Weltkrieg im Widerstand war und um dessen Vater Friedrich: Ein sehr gebildeter Mann und ein wunderbarer Lehrer, der zwar im Ersten Weltkrieg gedient hat, aber als Jude später aus Deutschland fliehen muss.

Das hört sich nach viel deutscher Geschichte an, aber tatsächlich habe ich so viel deutsche Geschichte selten so spannend verpackt gesehen. Die Perspektiven sind interessant, schließlich verbringen die Hirschs den zweiten Weltkrieg nicht in Deutschland sondern in England und Frankreich. Auch geht es hier keineswegs um klassische Kriegsdramen mit Schützengraben und BDM. Stattdessen geht es darum, wie die Familie persönlich den Krieg erlebt. Die jahrelange räumliche Trennung Friedrichs und seiner Frau zum Beispiel oder wie Alfred mit dem ständigen Druck der Untergrundarbeit umgeht.

Das Buch versucht zu erklären, warum die Familie so ist, wie sie ist. Warum Adele ihre Kinder nicht lieben konnte und was das mit ihren Töchtern und wiederum deren Töchtern macht. Beeindruckt hat mich, wie die tragischsten Begebenheiten einfach kurz in einem Nebensatz erwähnt werden, als wäre es nichts Besonderes. Abtreibung, Missbrauch, Depression, Vernachlässigung. Hier haben scheinbar drei Generationen an den Folgen des Krieges zu leiden. Darüber zu lesen war einerseits aufwühlend und bedrückend aber ebenso fesselnd.

Man merkt, es steckt viel Autobiografisches im Roman. Und ich verstehe sehr gut, dass nicht jeder aus Hausers Familie mit der Veröffentlichung einverstanden war. Aber gerade der persönliche Bezug lässt die Geschichte so authentisch wirken. Vor allem über Tamara zu lesen hat mich begeistert. Sie ist zwar ein unbequemer Charakter, der nicht wenige Fehler hat, aber eben auch viel Herz. Mich hat der Roman von der ersten Seite an gefesselt, bewegt und beschäftigt. Ein großartiges Buch, das absolut verdient auf der Longlist steht und definitiv eines meines Jahreshighlights ist.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. September 2018 um 19:24

Vllt gewinnt es ja sogar! Ah, es gibt also doch manchmal Lohnendes beim DBP. Das ist schön, manchmal möchte man ihn ja beinahe aufgeben.