Rezension

Bienensterben - bemerkenswerter Debütroman

Bienensterben - Lisa O'Donnell

Bienensterben
von Lisa O'Donnell

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wie ein Bienenstachel hakt dieses Buch nicht in der Haut, sondern im Gedächtnis des Lesers fest.

Die 15jährige Marnie und ihre 12jährige Schwester Nelly begraben an Heiligabend ihre Eltern, so gut dies im frostkalten Winter möglich ist, im Garten ihres Hauses.

Sie haben Angst, in ein Heim zu kommen, wenn das Jugendamt entdeckt, dass die Eltern nicht mehr da sind. Die Mutter hat sich im Schuppen erhängt. Wie der Vater schon Tage vorher umgekommen ist, davon erfährt man erst einmal nichts. 

Das Mitleid gegenüber den Eltern wird dem Leser schnell vergehen, wenn er liest, dass die gekifft und gesoffen haben. Gene und Izzy waren egoistische Menschen, die sich einen Dreck darum geschert haben, wie es ihren beiden Töchtern geht.

In den folgenden Tagen versuchen Marnie und Nelly für ihre Nachbarn und ihr Umfeld Normalität zu spielen. Wer sie fragt, dem sagen sie, ihre Eltern wären verreist.

Doch ihrem direkten Nachbarn, dem alten Lennie ist längst aufgefallen, dass da etwas nicht stimmen kann, die Eltern mögen sich zwar nicht um die Mädchen gekümmert haben, aber dass sie angeblich Urlaub in der Türkei machen, und das nun schon so lange und ohne konkretes Ziel, kann er nicht glauben.

Aber auch Lennie hat Probleme. Er ist ein alter, immer in Sorge vor Verunglimpfung lebender homosexueller Mann, der nach dem Tod seines Lebenspartners total vereinsamt ist.

Vorsichtig nähert er sich den Schwestern. Mit seiner einfühlsamen Art kümmert er sich darum, dass sie regemäßige Mahlzeiten bekommen und auch zur Schule gehen. Er kocht für sie und versucht ihnen etwas wie Familie und ein Zuhause zu geben.

Die Zweckgemeinschaft funktioniert nur, so lange der Sozialscheck eingeht und niemand das Fehlen der Eltern hinterfragt.

Die ganze Situation spitzt sich immer weiter zu, besonders als der Vater von Izzy auftaucht und seine Enkelinnen sehen will.

 

Lisa O`Donnell lässt uns abwechselnd aus Sicht von Marnie, Nelly und Lennie die heftige Geschichte verfolgen.

Marnies Sprache ist oft vulgär, direkt, ohne Schnörkel. Ihr Handeln zeigt jedoch die Fürsorge, die sie für ihre kleine Schwester hat.

Nelly dagegen scheint zeitweilig in einer Parallelwelt zu leben. Sie drückt sich äußerst gewählt aus, spielt überragend Geige und interessiert sich für die großen globalen Themen der Welt, unter anderem das Bienensterben. Wenn sie in dieser Welt ist, entrückt sie ihrer Alltagswelt.

Lennie dagegen ist ein liebevoller Beobachter der beiden Mädchen. Als heimlicher Homosexueller hat er immer unter den Schikanen der

Mitmenschen gelitten.

Durch einen Fehler, den er nach dem Tod seines Lebensgefährten gemacht hat, wird er als Vorbestrafter von der Öffentlichkeit gemieden oder sogar

angeprangert.

Umso mehr versucht er für die beiden Nachbarmädchen als Ansprechpartner da zu sein, weil er ihre ratlose Einsamkeit und Verlassenheit spürt.

 

In kurzen Kapiteln lässt O`Donnell den Leser jeweils aus dem Blickwinkel von Marnie, Nelly und Lennie an deren schockierender Geschichte teilhaben.

Noch ein kurzes Wort zur Covergestaltung des Buches:

Absolut gelungen!

Zart, wie ein Scherenschnitt, dabei heftig, die Motive, so wie die ganze erschütternde Geschichte, die das Cover verbildlicht.

Mein Fazit:

Ein ganz besonderer Debütroman, der unbedingt lesenswert ist!!!!