Rezension

"Hoffentlich wird mich dieses Lachen immer begleiten."

Bienensterben - Lisa O'Donnell

Bienensterben
von Lisa O'Donnell

Bewertet mit 5 Sternen

Heiligabend in Glasgow: Die 15-jährige Marnie hat Geburtstag und gemeinsam mit ihrer drei Jahre jüngeren Schwester Nelly begräbt sie ihren toten Vater im Garten, die tote Mutter im Kohlekasten im Schuppen. Aus Angst vor den Konsequenzen verheimlichen die beiden Mädchen den Tod der Eltern und behaupten diese seien verreist. Zunächst schlagen sich die Schwestern ganz gut - waren sie doch ohnehin oft genug auf sich allein gestellt - doch nach und nach bröckelt die Fassade und als dann auch noch der Hund des alten und vermeintlich perversen Nachbarn Lennie interessiert im Garten gräbt und Lennie beginnt Fragen zu stellen, spitzt sich die Lage zu ...

Gestaltung, Stil, Leseeindruck (Broschiert, ISBN: 978-3832197285):
Das Cover ist ein wahrer Hingucker: Ein Scherenschnittmotiv, das Details des Buchinhalts widerspiegelt, darin der Titel "Bienensterben", der für sich genommen schon neugierig macht. Die gelackte Schrift, plakativ und schlicht zugleich, ist sehr ansprechend. Der DuMont Buchverlag hat eine Klappenbroschur mit einer tollen Haptik gewählt. Alles in allem gefallen mir das Format und die Gestaltung ausgenommen gut. Wer kein Coverkäufer ist, dürfte jedoch spätestens nach der Lektüre des Klappentextes und des Prologs neugierig geworden sein. Schon lange nicht mehr habe ich einen solch originellen und schockierenden Prolog gelesen. Für mich war nach diesen sieben Zeilen bereits klar, dass mich das Buch begeistern wird – auf die eine oder andere Art.

"Bienensterben" ist ein außergewöhnlicher und sehr packender Roman, der beim Lesen die verschiedensten Gefühle hervorruft. Lisa O'Donnell schafft drei wechselnde Erzählperspektiven (Marnie-Nelly-Lennie), durch die der Leser jeweils Ein- und Rückblick in die Geschehnisse und Gefühle der drei Charaktere erhält. Jede Perspektive ist speziell und hebt die Eigenarten und Besonderheiten der jeweiligen Person hervor. Durch dieses Stilmittel schafft die Autorin eine intensive Nähe zu den Handlungsträgern und erlaubt eine differenzierte und detaillierte Sichtweise auf die Ereignisse. Die Spannung bleibt so konstant erhalten und wird im Handlungsverlauf stetig gesteigert. Wir begleiten Marnie und Nelly ein Jahr lang (Winter-Frühjahr-Sommer-Herbst-Winter), erleben mit ihnen und durch sie ein Wechselbad der Gefühle aus Angst, Wut, Verzweiflung, Hass aber auch Liebe, Dankbarkeit und Zusammenhalt. Es ist eine ungewöhnliche Familiengeschichte, die O'Donnell mit sehr viel Feingefühl, Humor und schonungsloser Offenheit erzählt.

Die Charaktere sind scharf und detailliert gezeichnet: Marnie mit ihrer schroffen Abgeklärtheit; Nelly, das zartbesaitete, violinspielende, anmutige Mädchen und nicht zuletzt Lennie, der Einsiedler, der so viel Liebe und Feingefühl in sich trägt. Drei Menschen, die auf den ersten Blick unterschiedlicher nicht sein können und doch eines gemeinsam haben – den Wunsch nach Geborgenheit, Stetigkeit und Familie.

Zitat, Seite 142 (Marnie):
"Ich weiß, dass ich dankbar sein sollte für Leute wie Lennie, es ist der Wahnsinn, was er alles für uns macht und wie er sich um uns kümmert, aber es macht mir Angst. Keinen Schimmer, warum. Ist einfach so."

Auf den Inhalt und die Personen möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, denn dieses Buch sollte jeder für sich selbst entdecken.

Die Sprache ist direkt, zuweilen schnodderig und das Beschriebene geht sehr nah. Wer sich nicht sicher ist, ob diese Erzählart einen mitnehmen kann, der sollte das Buch anlesen und dann entscheiden. Ich für meinen Teil hatte bereits beim Prolog eine Gänsehaut und war gefesselt vom Stil der Autorin. Es viel mir sehr schwer das Buch aus der Hand zu legen (was nicht zuletzt den kurzen Kapiteln geschuldet ist) und hätte es meine Lesezeit zugelassen, so hätte ich es in einem Zug lesen können und wollen.

Fazit:
Eine ungewöhnliche und fesselnde Geschichte zweier Schwestern, die im Leben nichts geschenkt bekommen haben und sich und ihre Träume dennoch nie aufgegeben haben – eine Geschichte von Freundschaft und Zusammenhalt, die uns auf das Gute im Menschen und in der Welt hoffen lässt. Absolut lesenswert!

Kommentare

Hansekatze kommentierte am 04. Mai 2014 um 17:17

Super Rezension! Ich stimme Dir voll und ganz zu. Habe das Buch heute auch beendet und war sehr beeindruckt.

yvy kommentierte am 04. Mai 2014 um 21:59

Danke dir! Ein wirklich tolles Buch, das viele Leser verdient. 

Deine Rezension ist auch super.

LG

Naibenak kommentierte am 05. Mai 2014 um 09:01

Prima Rezension, die absolut Lust auf das Buch macht! Und schwupp... auf meine WL damit ;) Danke.

yvy kommentierte am 05. Mai 2014 um 11:20

Danke und ich bin schon sehr auf deine Meinung gespannt.

Vorab viel Spaß beim Kaufen und Lesen! :)