Rezension

Bitte lest dieses großartige, emotionale Werk !

Der Koffer - Robin Roe

Der Koffer
von Robin Roe

Bewertet mit 5 Sternen

Immer wieder gibt es Geschichten, die mich als Leserin wahnsinnig berühren, doch ich glaube noch niemals zuvor hat mich ein Buch, ja gar ein DEBÜTROMAN, innerlich so sehr zerrissen wie DER KOFFER von Robin Roe.

Vor über zwei Wochen schon habe ich das Buch, nach nur ganz kurzer Lesezeit, beendet und nach wie vor weiß ich nicht wie ich all meine Emotionen in einer Rezension verpacken soll. Dieses Buch ist so wunderbar, aber auch so grausam, aufwühlend und dann wieder so unglaublich hoffnungsvoll. Es ist die GEFÜHLSACHTERBAHN von der man immer wieder redet, die man bis zu diesem Titel aber nur ansatzweise wirklich erfassen konnte. Das wird einem klar, wenn man erst einmal in Julians Geschichte eingetaucht ist.

Julian ist 14, er ist Waise und ein sehr introvertierter und schüchterner Junge, der von seinen Mitschülern, wenn überhaupt, nur als ein perfektes Opfer für Spott wahrgenommen wird. Er hat keine Freunde, verbringt seine Pausen zurückgezogen in einem Geheimversteck und alles was ihm von seinen Eltern geblieben ist, ist ein Koffer, ein paar Notizbücher seiner Mutter und die Erinnerungen an eine wohlbehütete und schöne Kindheit. Er lebt bei seinem schrecklichen Onkel, der ihm Tag für Tag zeigt wie nutz- und wertlos er ist.Sein ohnehin geringes Selbstwertgefühl schrumpft immer weiter.

Doch dann trifft er auf Adam. Adam, der nach dem Tod von Julians Eltern sein Pflegebruder war, der sich um ihn kümmerte. Ihre Wege hatten sich durch den Umzug zum Onkel getrennt und als sie jetzt wieder aufeinandertreffen, ist es Julian zunächst erst sehr unangenehm, denn er denkt, es sei seine Schuld gewesen, das sich Adam und seine Mutter nicht mehr bei ihm gemeldet haben.

Adam ist das krasse Gegenteil von Julian. Er ist locker, offen. Scheint bei seinen Freunden und auch bei den Lehrern beliebt. Adam geht auf die Menschen zu; so auch auch Julian. Die beiden nähern sich wieder an und Adam verbringt viel Zeit mit Julian, der nach und nach zum Teil von Adams Clique wird und sich dadurch immer weiter öffnet, der zuässt das man ihn wahrnimmt und der beginnt, das Leben wieder zu genießen. 

Doch das Glück währt nur kurz, denn zuhause da lauert erdrückende Dunkelheit und ein grausames Monster. Julian kann sich niemandem anvertrauen, nicht einmal Adam. Doch der ist ein aufmerksamer Beobachter und merkt, das irgendetwas nicht stimmt...

Direkt auf den ersten Seiten entwickelt die Geschichte so einen derart krassen Sog, das man sich ihr nicht mehr entziehen kann und auch gar nicht will.
Robin Roe hat einen sehr ausdrucksstarken und bildhaften Schreibstil, sie verflicht sehr ernste, düstere Themen mit ganz viel Hoffnung, Glück und mit Freundschaft. Man wird in Licht und Schatten gehüllt, deren erbitterten Kampf man förmlich fühlen kann. 

Ganz besonders gefallen hat mir auch die Charakterzeichnung. Hier hat sich die Autorin wirklich viel Mühe gegeben. Ich mochte besonders Adam sehr gerne. Er ist ein offener und hilfsbereiter, aber auch ziemlich aufmerksamer Mensch.

Außerdem gefällt mir gut, wie die Autorin sein ADHS einbringt. Er hat es zwar im Griff, fühlt sich gut, aber ich finde als Leser merkt man das er permanent hibbelig ist. Er kann einfach nicht stillsitzen und braucht immer Bewegung. Die Art wie Robin Roe das für den Leser hervorbringt, so das man es zwar deutlich spürt, es aber nicht im Vordergrund steht, finde ich großartig.

Bei Julian merkt man, wie er sich in Adams Gegenwart immer mehr entspannt und sich Sachen traut. Trotzdem wirkte er auf mich nie wie ein normaler 14-jähriger, sondern wie ein kleines Kind.

Es war wunderbar zu sehen, wie sich die Freundschaft zwischen den beiden Jungs entwickelt und wie sich Julian durch Adam und seine Clique immer weiter ins Positive verändert. 

Das letzte Drittel des Buches war sehr schockierend und wahnsinnig beklemmend für mich und wird mich sicher auch noch eine ganze Weile beschäftigen.

Als Mutter bin ich bei solchen Wendungen ohnehin schon immer überempfindlich, aber die Situationen, die Julian hier erlebt und durchleiden muss, haben mein Mutterherz mehr als nur einmal gebrochen und das hatte auch immer wieder zur Folge, das ich beim Lesen mehrmals Weinen musste.

Ein kleiner Kritikpunkt, der allerdings meine Bewertung des Buches nicht schmälern wird, war eine Situation am Ende, die auf mich zu überzogen wirkte. Ich finde, man hätte das ein wenig realistischer lösen und abschließen können. 

Fazit:

DER KOFFER von Robin Roe ist das wohl großartigste, emotionalste, bedrückendste, grausamste, perfekteste Debüt, das ich jemals gelesen habe ! Und das sind keine dahergesagten Phrasen, sondern es ist mein voller Ernst. Die Autorin hat hier eine Geschichte geschaffen, die mich nachhaltig noch lange beschäftigen und für immer einen Platz in meinem Leserherz haben wird.

Bitte bitte lest dieses Buch  !
 

Anmerkung:

Die Geschichte ist zuweilen sehr hart und für mich kein Jugendbuch im klassischen Sinne. Ich würde eine Leseempfehlung erst ab 15 oder 16 aussprechen und sie nach oben hin definitiv offen lassen.