Rezension

Das Dunkel hinter den Fassaden

Helden der Stille -

Helden der Stille
von Izabelle Jardin

Bewertet mit 5 Sternen

„...Sie war in Konrads Leben getreten wie ein gleißender Sonnenstrahl nach wochenlangen trübem Novemberwetter...“

 

Die Rede ist von Frederike, Konrads verstorbener Frau. Konrad erzählt Elise die Geschichte. Doch das Glück der beiden sollte nicht lange dauern. Aberglaube, Missgunst, falsch verstandene Ehre waren die Wurzeln, aus denen das Leid erwuchs. Auguste war es, die Konrad zwang, sich nach dem Tod seiner Frau wieder dem Leben zu stellen.

Die Autorin hat eine spannende Fortsetzung ihrer Saga geschrieben. Der Schriftstil ist ausgereift. Nach einem kurzen Blick in Konrads Vergangenheit sind wir wieder im Jahre 1845 angekommen.

Im Hause Achenthal meldet sich Elises Großvater zurück. Er war in der Nacht des Weberaufstandes verschwunden. Wird er alles rückgängig machen, was Sohn und Schwiegertochter aufgebaut haben? Das Recht dazu hätte er. Elise reitet zu ihm.

 

„...Vertrautheit war da. Jene Vertrautheit, die Elise immer gespürt hat, wenn Hunde und Pferde in ihrer beider Nähe gewesen waren. Dann war er ein völlig andere Mensch...“

 

Doch um den Großvater von ihren Plänen zu überzeugen, hat Elise nur eine Chance. Sie muss Fletcher heiraten, denn die Familie braucht dessen Geld. Trotzdem gehört ihre Liebe Konrad.

Auf der Hochzeitsreise in den Süden der USA lernt Elise die Schattenseiten der Sklaverei kennen. Als aufgeschlossene junge Frau, die sich für bessere Lebensverhältnisse der schlesischen Weber eingesetzt hat, ist sie erschüttert.

 

„...Ehen, wie wir sie gewöhnt sind, gibt es bei den Sklaven nicht, Elise. Es spielt keine Rolle, ob eine Frau einen Mann hat, den sie liebt und dem sie treu sein möchte. Wenn ein Weißer Lust auf sie hat, nimmt er sie sich...“

 

Nach und nach bekommt Elise auch den wahren Charakter ihres Mannes zu spüren. Politische Diskussionen blockt er ab. Er verpflichtet sie, gegenüber den Gastgebern zu schweigen und keine Kritik zu üben. Außerdem ist er ein exzellenter Schauspieler. Er kann sein Auftreten von einer Minute zur anderen ändern. In einen Brief an ihren Großvater wird sie deutlich.

 

„...Du wirst jetzt vielleicht gleich darauf hinweisen, dass die Gründerväter alle Europäer gewesen sind, in meiner Lesart demnach kultivierte Menschen. Aber bitte, Großpapa ...da gehen sie hin in ein fremdes Land, rotten die Ureinwohner beinahe ganz aus, […] schaffen gewaltsam Arbeitskräfte aus fernen Länder heran...“

 

Nach der Rückkehr nach London entwickelt sich die Ehe immer mehr zur Farce. Sagen wir es mal so: Fletcher hat erreicht, was er wollte. Jetzt interessiert ihn sein Spielzeug nicht mehr. Er hat sich Neues zugelegt. In einem Zirkel, in den Fletcher sie schickt, lernt Elise Beatrice kenne. Die sieht tiefer und wird ihr zu einer guten Freundin.

 

„...Hier in diesem Zirkel stranden lauter Frauen wie Sie. Verlassene, verwitwete, verstoßene unglückliche. Alle sind noch zu jung, um wirklich glauben zu können, dass nichts mehr zu erwarten ist in ihrem Leben...“

 

Elise macht aus ihrer Lage das Beste. Doch dann erlebt sie eine Situation, die sie bis ins Innerste erschüttert. Sie setzt ihre Schwiegereltern in Kenntnis und stellt Forderungen. Erstaunlicherweise setzt ihr Fletcher keinen Widerstand entgegen, als sie Urlaub in Schlesien machen will.

Dieser zweite Teil endet mit einer Reihe an offenen Fragen. Das weckt das Interesse am abschließenden Teil.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie dekadent ein Teil der herrschenden Klasse war. Verschweigen und Vertuschen war nach Verfehlungen das Mittel der Wahl. Frauen gelang es selten, aus diesem Käfig auszubrechen.