Rezension

Das Große im Kleinen

Ismaels Orangen - Claire Hajaj

Ismaels Orangen
von Claire Hajaj

Man kann davon ausgehen, dass Claire Hajaj in ihrem Debüt „Ismaels Orangen“ ein Stück weit die Geschichte ihrer eigenen Herkunftsfamilie beschreibt. Sie selbst trägt von jedem ihrer Protagonisten etwas in sich, ist ihr familiärer Hintergrund  ebenfalls von der jüdischen und der palästinensischen Kultur geprägt. Und natürlich darf man auch die europäischen Einflüsse nicht vergessen, wurde die Autorin doch in England geboren und lebte dort auch viele Jahre.

Die Handlung setzt im Jahr 1948 ein. Salim-Al-Ismaeli ist ein siebenjähriger Junge, dessen palästinensische Familie in Jaffa ansässig ist und vom Orangenanbau lebt. Es ist eine Familientradition, dass zur Geburt eines Kindes ein Orangenbaum gepflanzt wird, dessen Früchte dieses eines Tages ernten darf. Salim ist dies leider nicht vergönnt, denn in den Jahren 1947/48 eskalieren die Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern, was schlussendlich dazu führt, dass Salims Familie ihr Land verlassen muss. Bis der Junge erwachsen ist, folgen mehrere Schicksalsschläge wie der Tod des Vaters oder das Verschwinden der Mutter. Außer dem Orangenhain gibt es nichts mehr, was ihn hält, und so ergreift  Salim die sich ihm bietende Gelegenheit und verlässt seine Heimat in Richtung England, wo er studieren möchte.

Dort lernt er Judith, eine junge jüdische Frau kennen und lieben. Ein Araber und eine Jüdin? Undenkbar! Aber obwohl sie gegen die verschiedensten Widerstände kämpfen müssen, lassen sie sich nicht beirren, heiraten und bekommen Kinder. Aber auch hier hat Salim mit Vorurteilen zu kämpfen, die ihm die Tage vergällen. Dazu besinnt er sich mit zunehmendem Alter auf seine arabische Herkunft, den Stolz und die Suche nach Anerkennung, die ihm jedoch verwehrt wird. Auf der Suche nach einer neuen Heimat folgen Umzüge nach Kuweit und Beirut, doch auch hier wendet sich Salims Schicksal nicht zum Guten…

Es ist eine ganz spezielle Romeo und Julia-Geschichte, die Claire Hajaj mit „Ismaels Orangen“  geschrieben hat. Am Beispiel der Beziehung zwischen dem Palästinenser Salim und der Jüdin Judith zeigt die Autorin die verschiedensten Facetten des Nahost-Konflikts auf. Es stellt sich die Frage, ob die Verbindung der beiden die kulturellen Unterschiede verkraftet.

Die Autorin wirbt für Verständnis der beiden Lager und animiert hoffentlich ihre Leser dazu, sich etwas intensiver mit dem Nahost-Konflikt zu beschäftigen. Wenn man dann diese Informationen mit dem Verhalten Salims in Beziehung setzt, erkennt man ganz schnell, dass sich die Problematik schlicht und ergreifend auf die von beiden Lagern beanspruchten Territorien reduzieren lässt. Ob sich hier nicht eine Lösung finden lässt, die dieser Region endlich Frieden bringt?

Claire Hajaj verbindet die Lebensgeschichte ihrer Romanfigur mit einem politischen Thema, das dem Leser (hoffentlich) einige Denkanstöße mit auf den Weg gibt. Zur Lektüre empfohlen!