Rezension

Des Pudels Kern

Spiel des Lebens - Alice Roberts

Spiel des Lebens
von Alice Roberts

Bewertet mit 4 Sternen

Wie wurden aus wilden Wölfen zahme Hunde? Wer kam als erster auf die Idee, Kartoffeln auszugraben (und sie dann zu kochen)? Und was war zuerst da: die Milch oder die Schüssel, um sie zu trinken?

Mit Fragen wie diesen beschäftigt sich die britische Anatomin, Anthropologin, Paläopathologin, Autorin und Fernsehmoderatorin Alice Roberts. Sie entführt uns in die Jungsteinzeit, die Zeit der sogenannten „neolithischen Revolution“, als der Homo Sapiens sesshaft wurde, vom Jäger und Sammler zum Landwirt wurde.

Anhand von neun domestizierten Arten (darunter Hunde, Kartoffeln und Rinder) beschreibt sie den Prozess der Domestizierung unserer wichtigsten Verbündeten und bemüht dabei ein wildes Spektrum von paläontologischen, archäologischen, geschichtlichen und biologischen Fakten und Vermutungen. Ganz besonders aber bemüht sie Genetik und Genomik. Und kommt zu überraschenden Erkenntnissen, die unser Bild vom Homo Sapiens als dem planvollen Zähmer der Natur in Frage stellt. Nicht das biblische „Machet Euch die Erde untertan“ charakterisiert diesen Prozess. Eher müssen wir ihn uns vorstellen als eine wechselseitige Interaktion zwischen den Menschen und seinen verbündeten Arten. (Dass der Apfel im Paradies vermutlich auch gar kein Apfel war, lernen wir nebenbei).

Vieles, was sie (be-)schreibt ist faszinierend. Mein Blick auf die domestizierte Welt um mich herum hat sich sicherlich mit diesem Buch geändert. Wegen dieser Passagen ist das Buch unbedingt lesenswert. Und wer mehr dazu wissen will, sollte das dann auch einfach tun.

Leider ist das Buch auch weitschweifig. Insbesondere die seitenlangen genetischen Erörterungen haben es in sich. Als ich mutig begonnen habe, diese Passagen zu überlesen, war meine Freude am Buch deutlich größer. Die gelegentlichen Anklänge von britischem Humor kämpfen gegen die deutsche Übersetzung, der auch der irreführende Titel „Spiel des Lebens“ anzulasten ist. Gelegentliche Anklänge von britischem Patriotismus, wie bei der Eifersüchtelei auf die Benennung des Namens des Neandertalers oder beim unnötigen und spekulativen Exkurs über John Cabot als möglichem Alternativimporteur von amerikanischem Mais, stören etwas (vielleicht hat mich auch nur der ganze Brexit-Wahnsinn übersensibilisiert). In Summe: ein Stern Abzug.

„Tamed“ - „Gezähmt“ heißt das Buch im Original. Die für mich wichtigste Erkenntnis liegt darin, dass der Homo Sapiens (die zehnte behandelte Art) in diesem Prozess selbst domestiziert wurde, durch seine Verbündeten und sich selbst gezähmt wurde. Der Abbau aggressiver Wesenselemente kennzeichnet alle zehn behandelten Arten. Diesen Gedanken werde ich mitnehmen. 

Kommentare

Emswashed kommentierte am 15. April 2019 um 08:21

Pääbo- und Shubin-geschädigt machen mir lange Passagen über Genetik wenig zu schaffen, deshalb gehört das Buch wohl zu meinem Beuteschema... sehr schön!

Sursulapitschi kommentierte am 16. April 2019 um 16:51

Ich schick es dir, wenn du magst. :-)

Emswashed kommentierte am 16. April 2019 um 19:05

Du darfst es mir auch gern reserviert und ohne Foto bei TT einstellen! Gebe auch gern mehrere Tickets!

Emswashed kommentierte am 11. Mai 2019 um 14:04

Heute angekommen, wunderbar! Vielen Dank!

Sursulapitschi kommentierte am 11. Mai 2019 um 14:05

Super, ich bin gespannt, was du sagst!

Emswashed kommentierte am 18. Juni 2019 um 13:41

Habs jetzt ausgelesen und gebe Dir meine volle Zustimmung zu Deiner Rezi (die jetzt im Nachhinein sogar noch besser passt, als vermutet). Mir allerdings sind die Lobpreisungen der Genmanipulation im "Reis"-Kapitel ziemlich aufegstoßen und wurde erst zum Schluss wieder versöhnt, als Roberts auch die Kehrseite, nämlich den Profit der Großkonzerne, wenigstens erwähnte. Alles in allem eine wundervolle Ergänzung zu meiner anthroplogischen Büchersammlung. Nochmal ein dickes Dankeschön dafür!