Rezension

Die Emotionen bleiben auf der Strecke

Working Late -

Working Late
von Helene Holmström

Bewertet mit 3 Sternen

„Working Late“ ist der erste Roman der schwedischen Autorin Helene Holmström, der im LYX Verlag auf Deutsch erschienen ist. Es handelt sich zugleich um den ersten Band der Trilogie um die Anwaltskanzlei Svärdh & Partner, die einzelnen Bücher sind aber in sich abgeschlossen.

In diesem Auftakt geht es um Charlotta Kvist, eine hervorragende Anwältin der Kanzlei. Als ein schwedisches Unternehmen beschuldigt wird, Verantwortung für den Unfall in einer Produktionsstätte zu tragen, wittert Charlotta in der pro bono Vertretung der Opfer ihre Gelegenheit, den Partnern ihr Können unter Beweis zu stellen. Doch der attraktive CEO der Gegenseite, Ignacio Vargas, macht den ganzen Fall um einiges komplizierter.

Eine Skyline auf dem Cover zieht mich immer sofort magisch an. Mir gefällt auch die grundsätzlich dunkle, lila blaue Farbgebung, am Rand schon ein roter Schein, wie kurz vor dem Sonnenaufgang. Interessant sind ebenfalls die leicht transparenten Dreiecke, die den Himmel bedecken. Sie bringen Abwechslung in die Optik, anstatt lediglich eine durchgehende blaue Fläche zu zeigen. Ein Highlight sind natürlich auch die Lichtreflektionen, die das Großstadt-Feeling von der Skyline nochmal aufgreifen und die urbane Atmosphäre verstärken. Ein gelungenes Cover, was mich neugierig auf ein tolles, städtisches Setting gemacht hat.

Mit Helene Holmströms Schreibstil habe ich mich zu Beginn sehr wohlgefühlt. Gerade die Beschreibungen der Personen sind sehr lebendig oder auch die Stimmung in einer Menschenansammlung. Zudem baut sie die Business Begriffe sehr gut ein. Man merkt, dass sie selbst als Anwältin tätig war und sich mit dem, wovon sie schreibt, gut auskennt. Das lässt die Geschichte von vorne herein viel authentischer wirken: der Rechtsstreit ist nicht nur ein Bühnenbild für die Liebesgeschichte, sondern ein echter Bestandteil des Romans. Das war mit einer der Hauptgründe, warum ich mich so darauf gefreut habe, ihn zu lesen und bis zuletzt hat mir die Anwaltsthematik sehr gut gefallen.

Charlotta habe ich direkt ins Herz geschlossen. Sie arbeitet hart, will das Beste für ihre Kanzlei und den Mandanten, muss aber noch lernen, mehr für sich selbst einzustehen. Mit Blick auf die Erlebnisse ihrer Jugend ist das nicht so leicht, aber sie macht eine gute Entwicklung durch. Auch Ignacio machte auf mich direkt einen positiven Eindruck: er ist sehr menschlich und warmherzig, nicht nur am Profit orientiert und identifiziert sich mit dem Unternehmen und seinen Projekten. Er brennt richtiggehend für Nachhaltigkeitsthemen und ist leidenschaftlich bei der Sache.

Ab dem zweiten Drittel wurde meine anfängliche Begeisterung jedoch stark getrübt. Während sich Charlotta und Ignacio immer näherkommen, hatte ich den Eindruck, dass die gefühlvollen Szenen nicht nur immer weniger, sondern die Emotionen auch gar nicht transportiert wurden. Intime Szenen wirkten mechanisch, Gefühle hölzern und überhaupt nicht überwältigend. Ich habe einfach keine Liebe und kein Feuer zwischen den beiden gespürt. Viele andere Leser*innen führen das auf die Erzählperspektive zurück (personale statt Ich-Erzählsituation), aber ich habe schon genug andere Romane gelesen, die auch aus dieser Perspektive heraus Emotionen transportieren konnten. Man könnte darüber nachdenken, ob dies der Übersetzung geschuldet ist, doch das ist bloß Spekulation.

Zeitgleich wird noch eine zweite Liebesgeschichte eröffnet, die neben Emotionen auch den Sinn für die Hauptstory vermissen lässt, obwohl alles sehr interessant begann. Hinzu kommen leider nicht ein paar Klischees, sowie ein fades und zu leichtes Ende.

Insgesamt komme ich zu 3 von 5 Sternen. Neben dem Schwedensetting hat mich vor allem das Anwaltsthema gepackt und ich möchte gerne mehr davon lesen. Der Rechtsstreit behandelt zudem wichtige Themen von Nachhaltigkeit und Verantwortung und die Autorin zeigt, dass ihr das wichtig ist und nicht nur der Story dient. Dass die Emotionen jedoch so auf der Strecke bleiben und ich nichts zwischen Charlotta und Ignacio spüren konnte, versetzt einem Liebesroman einen ziemlichen Stoß. Ich bin daher sehr unsicher, ob ich es mit Band zwei („Office Affair“; ET 27.08.2021) und drei („After Hours“; 25.02.2022) noch versuchen werde.