Rezension

Die geheimnisvolle Schule im Wald

Ashwood Academy – Die Schule der fünf Türme (Ashwood Academy 1) -

Ashwood Academy – Die Schule der fünf Türme (Ashwood Academy 1)
von Karin Müller

Bewertet mit 5 Sternen

Phantasievoller erster Band um eine ganz und gar ungewöhnliche Schule, auf die das widerborstige Mädchen Lenya gegen seinen Willen wechseln muss.

So gut mir die wohl niemals zu übertrumpfende Harry Potter – Reihe auch gefällt, so sehr bedauere ich, dass Joanne K. Rowling durch ihre geradezu unerschöpfliche Phantasie bereits das allermeiste vorweggenommen hat, was sich gegenwärtige und zukünftige Autoren von Fantasy-Geschichten, die sich in dieser Art von Setting, einer besonderen Art von Schule nämlich, bewegen, jemals einfallen lassen. Da können sie sich noch so sehr bemühen – ein Anklang an Harry Potters Welt ist immer dabei! Es kommt dann darauf an, was aus der gemeinsamen Ausgangsposition gemacht wird, in welche Richtung sich also die jeweiligen Geschichten bewegen! Und wenn wir es mit einem richtig guten Autor beziehungsweise einer Autorin, wie Karin Müller eben, zu tun haben, dann kann es gelingen, dass man als Leser alsbald aufhört, Vergleiche zu ziehen und Harry Potter einfach vergisst!

Und genau das erfuhr ich während der Lektüre des ersten Bandes von Karin Müllers neuer Reihe 'Ashwood Academy', von der ich wirklich hoffe, dass mehr als nur zwei Bände geplant sind, denn die Geschichte, so wie sie sich in dem hier zu besprechenden Roman angelassen hat, besitzt unendlich viel Potential, wurde doch bisher gerade einmal an der Oberfläche gekratzt und sind die meisten Fragen, die sich nicht nur der Leser, sondern auch die Hauptperson Helena oder besser Lenya, wie sie viel lieber genannt werden möchte, stellen, unbeantwortet geblieben. Gewiss, man hat jetzt doch wenigstens eine Ahnung, wo all das Geheimnisvolle, uns und der Ich-Erzählerin Verschwiegene und – aus welchem Grund auch immer – unbedingt zu Verschleiernde hinführen wird. Eine Ahnung, wie schon gesagt, mehr aber auch nicht! Und damit kann man durchaus falsch liegen, wie wir ja, und da muss ich einfach gleich noch einmal auf Harry Potter zurückkommen, sehen können. Auch dort ließ man sich in die Irre führen, wurde im Ungewissen gelassen, um dann durch die weitere Entwicklung der Dinge überrascht zu werden. J. K. Rowling hatte, so sagte sie einmal, die gesamte, sich über sieben Bände erstreckende Potter-Geschichte bereits fix und fertig in ihrem Kopf, bevor 'The Philosopher's Stone' quasi über Nacht ein so nie erwarteter durchschlagender Erfolg wurde. Liest man besagten ersten Band noch einmal sorgfältig, so weiß man, dass sie die Wahrheit gesagt hat, denn all die Fragezeichen, die man schon in diesem setzen musste, konnten nur so, wie es dann im düsteren Abschlussband getan wurde, aufgelöst werden. Alles machte im Nachhinein Sinn, vollkommen und auf absolut geniale Weise!

Nun, bleibt zu hoffen, dass Karin Müller ihre Leser nicht derartig lange, also fast zehn Jahre, auf die Folter spannen wird – was auch nicht zu befürchten ist, wenn man sich an das zügige Erscheinen ihrer bisherigen Reihen – 'Nordlicht', 'Nordstern' und 'Das Rätsel des Pferdeamuletts' – erinnert. Bei denen übrigens ging es zunächst genauso rätselhaft zu wie im ersten Band der 'Ashwood Academy', man hatte mehr Fragen als Antworten und dennoch wurde alles schlüssig und überzeugend aufgelöst. Also werden wir, da bin ich sicher, schon bald über all das Geheimnisvolle, das uns hier begegnet, aufgeklärt, werden wir mehr über den Sinn und Zweck der von der Außenwelt abgeschotteten Schule im Wald, dessen magischen Geschöpfen und natürlich über die fünf Türme erfahren, deren letzter, der rote, künftighin seine erste Bewohnerin nach unzähligen Jahren, die Lichtwandlerin, genauer Feuerwächterin, Lenya, bekommen wird. Und klar, das unverständliche Verhalten ihres Hausmeistervaters Corbinian und sein Herumgedruckse, wenn ihm Fragen gestellt werden, wird letztlich auch einen Grund haben, der uns sicherlich gewaltig überraschen wird!

Von der ersten Seite an übrigens habe ich 'Ashwood Academy' geliebt – und mag ich auch hundertmal Vergleiche gezogen haben zu Hogwarts mit seinen Häusern Gryffindor, Ravenclaw, Hufflepuff und Slytherin! Die Türme hier in der Schule im verwunschenen Wald haben aber ihren ganz eigenen, fröhlichen, düsteren, unheimlichen, verlockenden (der rote Turm!) Charme, und ja, ich hätte mich gerne in jeden einzelnen von ihnen hineingeschlichen, um sie zu erkunden, um ihre Geheimnisse (denn die haben sie alle!) zu ergründen. So blieb mir meine eigene, leider oft überbordende Vorstellungskraft. Was nicht das Schlechteste ist, denn ich mag, wenn ich ehrlich bin, das Unausgesprochene, das Im-Dunkeln-Gelassene wesentlich lieber als das Explizite. Das ist dann geradeso, als würde man sein eigenes Buch in einem fremden lesen! Und dafür, dass sie dem Leser zutraut, seinen eigenen Weg durch ihr Handlungslabyrinth zu finden, womit sie die Phantasie ungeheuer anregt, bin ich Karin Müller sehr dankbar. Ein Grund mehr, warum ich von ihren Fantasy-, nun ja, eher Urban-Fantasyromanen, gar nicht genug bekommen kann. Ihre magischen Welten haben einen ganz speziellen Zauber und sind – da verweise ich mal auf die 'Pferdeamulett' – Trilogie – gar nicht leicht zu fassen, wenn man sich bemüht, zwischen den Zeilen zu lesen, was man bei ihr unbedingt tun sollte!

Ihre Protagonistinnen – ja, es sind immer Mädchen, die ihnen zur Seite gestellten Jungen sind stets so emanzipiert, dass sie im Schatten der jeweiligen Heldinnen, heißen sie nun Erla oder Elin oder Godje, stehen können – gleichen einander, scheinen zunächst ganz normale, oft ein wenig schnoddrige, zu Beginn sogar recht zickige Mädchen zu sein, wachsen dann aber an den anspruchsvollen und gefährlichen Anforderungen, die man an sie stellt. So wie man das bei Lenya eben auch beobachten kann, denn, seien wir ehrlich, möchte man die anspruchsvolle, immer etwas verpeilt wirkende, trotz ihres lockeren Mundwerks doch sehr oberflächlich wirkende Meckerziege, als die sie sich bei ihrer Ankunft präsentiert, wirklich zur Freundin haben? Auch für sie gilt: man muss tiefer blicken, der erste Eindruck täuscht! Benu hat das mit seinen Nachtaugen und mit seinem Herzen sofort erkannt und ihr dadurch eine erste Möglichkeit gegeben, sich zu bewähren. Und ihr bleibt ja auch gar nichts anderes übrig, als in Notsituationen zu reagieren, könnte man denken, nicht wahr? Aber diese Schlussfolgerung wäre zu einfach, denn schließlich ist sie dazu ausersehen, die Schule im Wald mitsamt allem, das sie hütet, beschützt, verbirgt zu retten. Sie folgt also, ohne es zu wissen, ihrer Bestimmung, doch wer weiß, wie die Begegnung mit den Trollen ausgegangen wäre, hätten ihr Benu und die anderen, die sich letzten Endes als echte Freunde erwiesen haben, nicht geholfen? Folglich ist das so eine Sache mit den Bestimmungen, man sollte nichts so nehmen, wie es scheint – und es bleibt spannend und rätselhaft und ganz gewiss auch gefährlich! Und mir bleibt nur noch, mich auf den Folgeband im März zu freuen....