Rezension

Dünner Stoff

Wir sind das Licht -

Wir sind das Licht
von Gerda Blees

Bewertet mit 4 Sternen

Gerda Blees Debütroman handelt von einer nicht näher verorteten Wohngemeinschaft in den Niederlanden. Drei ihrer Bewohner schauen tatenlos zu, wie Elisabeth, die Schwester von Melodie, vor ihren Augen das Bewusstsein verliert und stirbt. Nachdem sicher ist, dass Elisabeth tot ist, wird ein Notarzt gerufen. Dieser informiert die Polizei, weil er festgestellt hat, dass Elisabeth verhungert ist. Die Polizei verhaftet Melodie, Muriel und Petrus und leitet Ermittlungen ein.

Die erste Zeugin, die dem Geschehen beigewohnt hat, ist die Nacht. Sie erzählt von den letzten Minuten Elisabeths und von den Reaktionen der drei Umstehenden. Anschließend meldet sich das Haus zu Wort, das jetzt zum Tatort geworden ist und schamlos von Ermittlern durchsucht wird.
Das Brot entschlüsselt das schwierige Verhältnis der WG zum Essen. Es stellt sich heraus, dass ihre Mitglieder der Nahrung entsagen wollen, damit sie allein von der Lichtenergie leben können.
Nach und nach melden sich also Dinge, aber auch Instanzen, wie ein Orangenduft und die Fakten zu Wort. Sie entlarven das Gepäck der Menschen, nicht nur die Haltlosigkeit Muriels und Petrus, sondern auch die Peristase der Ermittlerin, die selbst mit der Magersucht ihrer Tochter kämpft.

25 Kapitel beschreiben also den Tod Elisabeths, ihre Familie, die Menschen der "Klang und Liebe" Gemeinschaft und enthüllen so nach und nach die grausame Wahrheit. Sie wurde Opfer einer kruden, spirituellen Idee. Die Menschen, die ihr hätten helfen können, waren selbst gefangen in ihren Gedanken, kämpfen mit ihren eigenen Dämonen, die Mutter Muriels und Elisabeths gar mit ihrer Demenz und so bleibt die Schuld schließlich allein bei den Umständen.

Der außergewöhnliche Aufbau des Romans besticht durch sein Ideenreichtum, den Dingen, Gerüchen, Gefühlen eine authentische Stimme zu geben. Ich war überrascht von den vielen kleinen Dingen, die etwas zur Geschichte beitragen konnten und gleichzeitig ganz bei ihrer Natur blieben, so der Kugelschreiber, der sich darauf freut, etwas längeres als eine Liste zu schreiben. Die kognitiven Dissonanzen, die sich schleunigst wieder ins Gleichgewicht bringen wollen. Ich war regelrecht geblendet von dieser Vielfältigkeit, so dass ich erst nach der Lektüre merkte, dass mir etwas fehlte.

Es fehlte mir das Voranschreiten der Ereignisse, es fehlte mir ein Ergebnis. Die glitzernden Schussfäden ergeben ein wunderbares buntes Bild, die Kettfäden allerdings sind zu dünn und drohen bei längerem Nachdenken zu reißen.

Die Erzählung, das 17. von 25 Kapiteln bringt es zur Sprache. Sie beschwert sich über ihre Autorin, die abgelenkt ist und sich keine richtigen Gedanken mehr um ihren Roman macht. Ist dieser Schachzug genial, oder frech? Gerda Blees traut sich was und damit hat sie gewonnen. Jetzt fehlt nur noch ein wenig Konsequenz, dann würde der Fan in mir jubeln.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. Februar 2022 um 20:41

Es ist eben doch "nur" ein Debüt. "Da übte sie noch".