Rezension

Ein dunkles Kapitel

Der Verrückte -

Der Verrückte
von Henning Mankell

Bewertet mit 4 Sternen

Schweden kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Bertil Kras zieht nach dem Tod seiner Mutter von Stockholm in einen kleinen Ort in Norrland. Dort, im Norden des Landes, findet er Arbeit im örtlichen Sägewerk. Er lernt die alleinerziehende Margot kennen und geht mit ihr eine Lebensgemeinschaft ein. Als eines Tages das Sägewerk niederbrennt, verdächtigt man Bertil der Brandstiftung.

Der schwedische Schriftsteller Henning Mankell ist vor allem bekannt für seine Krimireihe rund um den melancholischen Polizeibeamten Wallander. Doch hat Wallander auch unzählige und sehr kritische Romane geschrieben. Nicht nur über Afrika, wo der Schwede auch lange Zeit gelebt hat, sondern vor allem auch über gesellschaftspolitische Entwicklungen in seiner Heimat.

Als der Autor 2015 – viel zu früh – verstarb, nahm mich das sehr mit. Denn ich finde er hätte noch sehr viele Geschichten zu erzählen gehabt. Umso erfreulicher ist, dass nun nach und nach seine frühen Werke, die es bislang in deutscher Sprache nicht zu lesen gab, nach und nach veröffentlicht werden.

So ist „Der Verrückte“ Henning Mankells Debütroman, geschrieben in den 1970ern. Das merkt man, der Roman wirkt ein bisschen aus der Zeit gefallen und birgt doch das große erzählerische Potential des Schriftstellers. Sein unaufdringlicher Ich-Erzähler muss wohl noch ein Kind gewesen sein, als Bertil Kras in Norrland ankommt. Nur wenige Male bringt sich der Erzähler selbst ins Spiel, wenn er versucht Bertils Geschichte zu recherchieren.

Es ist ein ungeheures Thema, das Mankell für seinen Erstling wählt, legt er doch die schwedische Neutralität während des Krieges und die Errungenschaften des schwedischen Wohlfahrtsstaates auf den Prüfstand.

„Und die ganze Sch…. während des Krieges wird unter den Teppich gekehrt. Jetzt sollen wir alle im Hof des Volksheims spielen, als hätte dieser Krieg nie existiert.“

Völlig unbekannt war mir, dass es in Schweden während des Zweiten Weltkrieges Internierungslager für Kommunisten gab. Ein heißes Eisen, das wohl auch in Schweden lange nur unter der Hand schwelte. Neutralität schien in Schweden nicht viel mehr zu bedeuten, als keine Scherereien mit den deutschen Nationalsozialisten zu bekommen.

Bertil Kras, der kleine stille Antiheld dieser Geschichte ist ein Mann ohne große Ambitionen und nicht vieler Worte. Er will ein Auskommen haben, ein warmes Zuhause, ein bescheidenes Familienglück und die Kameradschaft politisch Gleichgesinnter. Er ist und bleibt aber der Fremde im Ort, bei dem es leicht ist, ihn zum Sündenbock zu machen.

Als Bertil alles verliert – Arbeit, Frau, die Unterstützung der Genossen - ist es kein weiter Schritt, Verstand und Kontrolle zu verlieren.

Mankells einprägsames Bild von Charakter und Gesellschaft zeigt auch schon im Debüt das höchstpolitische Gewissen des Autors, das sich in seinen späteren Roman unermüdlich bemerkbar macht. Wie gerne hätte ich noch mehr davon.