Rezension

Ein echtes Lesevergnügen

Die verschwundene Braut - Bella Ellis

Die verschwundene Braut
von Bella Ellis

Bewertet mit 5 Sternen

 

„Ihr jungen Brontës mit euren Flausen, ständig treibt ihr euch irgendwo herum, selbst Frühlingslämmer sind vernünftiger als ihr.“

1845 leben alle Brontë- Geschwister bei ihrem Vater im Pfarrhaus in Haworth. Doch langweilig wird es in der ländlichen Idylle nicht. In der Nähe passiert ein grausames Verbrechen: Elizabeth Chester, junge Ehefrau und Mutter, wird aus Chester Grange, ihrem Heim, verschleppt. Ihre Schlafkammer ist - abgesehen von einer großen Mengen Blut- leer, vom Opfer selbst fehlt jede Spur. Charlotte, Emily und Anne wissen, dass ihre Freundin Matilda French als Gouvernante auf dem Anwesen bei der Familie Chester angestellt ist. Sie beschließen, gemeinsam das schreckliche Verbrechen aufzuklären, dadurch Matildas Situation erträglicher zu machen und ihr so zu helfen.

Autorin Bella Ellis entführt ihre Leser in das England des 19.Jahrhunderts. Ihren klaren, gut verständlichen und flüssigen Schreibstil hat sie der Zeit, in der die Geschichte spielt, treffend angepasst:  nicht modern, sondern in Wortwahl und Satzbau eher traditionell. Das wirkt sehr authentisch.

Die Brontë-Schwestern sind berühmte, historische Figuren, um ihr Leben ranken sich viele Mythen und Legenden. Bella Ellis wusste, dass alle Brontë-Geschwister 1845 einige Monate vereint unter einem Dach in Haworth lebten. Sie hat zu diesem historisch belegten Fakt eine Geschichte erfunden. Die Figuren Charlotte, Emily und Anne, zweifelsohne begabte, kluge, talentierte Frauen, werden von Ellis sehr interessant und überzeugend gezeichnet. Niemand heute weiß genau, wie sie wirklich waren, aber wer ihre Bücher kennt, wird sie sich sehr gut genauso vorstellen können, wie die Autorin sie hier schildert: neugierig, intelligent und stur. Sie geben sich nicht mit der Rolle zufrieden, die damals von Frauen erwartet wurde, sondern wollen mehr: ein bedeutsames Leben führen und denen, die nicht sprechen können, „eine Stimme geben“. Bei aller Gemeinsamkeit, erscheinen die Geschwister im Roman auch sehr unterschiedlich, Emily zeigt sich eher ungesellig und ungestüm, Anne dagegen weniger impulsiv und vernünftig, Charlotte phantasievoll, aber auch zerbrechlich und ängstlich. Faszinierende Figuren, die auf mich sehr realistisch wirken. Andere Charaktere wie Mrs. Crawley oder Mr. Chester könnten genauso gut aus dem ein oder anderem Roman der Brontës selbst entsprungen sein, eine überaus stimmige Figurenkonstellation.

 

„Die verschwundene Braut“ ist ein sehr packender Roman, der Kriminalfall ist schlüssig aufgebaut. Obwohl der Plot mit recht wenig Blut auskommt, bekam ich bei vielen aufregenden Szenen im Wald oder auf Chester Grange zwischendurch immer wieder Gänsehaut. Durchgehend wird bis zum unerwarteten Finale die Spannung aufrecht erhalten. 

 

Ich bin ein großer Fan der Brontë-Schwestern, Jane Eyre ist einer meiner liebsten Klassiker. Daher war ich, was diesen Roman betrifft, sehr skeptisch. Die Brontë-Schwestern haben Spuren hinterlassen, ihre Fußstapfen sind immens groß. Könnte ein moderner Roman mit ihnen als Protagonisten, diesen wunderbaren, begabten Autorinnen überhaupt gerecht werden? Ich finde definitiv ja, Bella Ellis hat ihr Thema meiner Meinung nach sehr überzeugend umgesetzt. Es ist dem Roman anzumerken, dass auch die Autorin die Schwestern mehr als bewundert. Sie hat die Brontës für mich sogar noch ein Stückchen faszinierender und lebendiger gemacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass Charlotte, Emily und Anne, auch ihr Bruder Branwell genauso gewesen sein könnten, wie sie Ellis charakterisiert. Auch die vielen Anspielungen auf ihre bedeutenden Romane -manche Szenen, bestimmte Personen und deren Verhalten, die Dramaturgie - haben mir sehr gut gefallen. Ein gelungener, spannender Schmöker, ein großes Lesevergnügen. Für Fans und alle, die es werden möchten bzw. für alle, denn dieses Buch macht es einem ziemlich unmöglich, die berühmten Schwestern nicht zu mögen.