Rezension

Ein epischer Auftakt

Kingdom of Silk -

Kingdom of Silk
von Anja Lehmann

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung:

Das Buch beginnt mit einem Prolog, der in der Vergangenheit spielt. Auf diesem baut die gesamte Geschichte auf, doch wurden die Ereignisse, wie das Schmuckstück, das in der Handlung eine wichtige Rolle spielt, in verschiedene Teile zerrissen und müssen erst nach und nach zusammengesetzt werden, was ich sehr spannend fand.

Als erstes lernen wir dabei Crystal, ein Waisenmädchen kennen, dessen Ziel es ist, eine Libelle, also eine Elitekämpferin des Weißen Königs zu werden. Deshalb wird sie auch an den Hof geschickt und durchlebt dort ein gefährliches Training, das nicht nur ihre Fähigkeiten auf die Probe stellt, sondern auch ihre Loyalität und ihre Moral prüft. Ich mochte Crystal von Anfang an sehr gerne. Sie hat einen eisernen Willen, ist aber trotzdem auf ihre Weise naiv, da sie bei den Nonnen sehr behütet aufgewachsen ist und außer dem Kloster nie etwas anderes gesehen hat. Trotzdem hinterfragt sie vieles und hat einen moralischen Kompass, der mir sehr gut gefiel, der sich aber erst nach und nach zeigt.

Nebenbei lernt mal Olly kennen, einen Hirtenjungen, der alte Kräfte in sich entdeckt, die lange Zeit als verloren galten. Sein Vater denkt, er ist verweichlicht, aber mir gefiel es, wie der Junge die Welt sah. Er mag anfangs etwas ängstlich erscheinen, aber man erkennt sofort, dass er das Herz auf dem richtigen Fleck hat.

Auch der Prinz Raynold von Navas war mein heimlicher Favorit. Er soll nach seinem Vater das Königreich regieren und ist dabei stets besonnen. Er überdenkt erst eine Situation, bevor er handelt, was jedoch sehr zum Missfallen seiner Verlobten Phillipa und seinem Bruder Ramires ist, die nicht länger zusehen wollen, wie ihr Volk leidet. So muss Raynold nicht nur einen Weg für sein Königreich findet, sondern auch einen, der seine Verbündeten zufriedenstellt. Ich mochte seine ruhige Art. Irgendwie hatte ich das Gefühl, er ist, wie ich, ein Kopfmensch, dem das Wohl anderer mehr am Herzen liegt als sein eigenes.

In Stravoos lernen wir schließlich noch Kimberley kennen, die, um ihre Familie zu versorgen ihren Körper verkauft. Sie hat eine sehr harte Schale, aber doch einen weichen Kern, der mir sehr gut gefallen hat.

Diese vier bilden die Hauptcharaktere in dieser Geschichte. Jeder von ihnen ist mir auf seine Weise ans Herz gewachsen und ich fand es sehr spannend, zu erfahren, wohin sie ihr Weg führen würde. Geschickt verwebt Anja Lehmann nach und nach die einzelnen Schicksale miteinander, um schließlich am großen Ganzen zu arbeiten: Dem Schicksal der Welt, wie sie sie kennen.

Dabei zeigt nicht jeder Nebencharakter sein wahres Gesicht und anfangs konnte ich nicht mal annährend erahnen, wie groß die Geschichte im Grunde ist. Ich mag es jedenfalls, wenn man verschiedene Schichtweisen bekommt, die schließlich zusammenlaufen. Trotzdem zieht sich ein roter Faden durch das gesamte Buch und man verliert nie aus den Augen, worum es wirklich geht. Ich muss sagen, dass ich nahezu durch dieses Buch gerauscht bin, so gefangen war ich von den einzelnen Figuren und ihren Geschichten. Ich wollte einfach wissen, worauf es am Ende hinauslaufen und welche Rolle wer dabei spielen würde. Tatsächlich hat mich die Autorin aber so manches Mal richtig überrascht und ich musste alles wieder neu für mich sortieren. Das machte die Story zusätzlich spannend. Zimperlich geht Anja Lehmann dabei aber nicht mit ihren Charakteren um. Wie auch, wenn alles auf einen großen Krieg hinausläuft. So müssen die Protagonisten oftmals aus ihrer Komfortzone heraus und zeigen, was in ihnen steckt. Nach und nach erkennt man ganz klar eine Entwicklung, die mir die Figuren nur noch sympathischer gemacht hat.

„Kingdom of Silk“ hat wirklich alles, was ein gutes Fantasy-Buch braucht: Tolle Charaktere, mit denen man mitfiebert, eine spannende Handlung, einen roten Faden, der zeigt, dass noch viel mehr hinter der Geschichte steckt, als man zu Beginn denkt und einen flüssigen, bildlichen Schreibstil, der einen an den Seiten kleben lässt.

Dieser erste Band war für mich ein epischer Auftakt für eine Fantasy-Reihe, die großes Highlight-Potenzial hat. Ich kann den zweiten Band kaum erwarten.