Rezension

ein gelungener Weltentwurf, eine spannende Umsetzung und gut interagierende Charaktere

Die 100 - Kass Morgan

Die 100
von Kass Morgan

Zitate:
„Doch der Blick des Mädchens blieb starr auf ihn gerichtet, als schaue sie direkt in ihn hinein und zerre all seine Gedanken ans Licht, die er so sorgsam verbarg.“
(Pos.286, 5%)

„Die Menschen hatten die Erde während ihrer dunkelsten Stunde im Stich gelassen. Sie würde sich einen Dreck darum scheren, wie viele beim Versuch der Rückkehr starben.“
(Pos.1009, 19%)

Inhalt:
Durch biologische und atomare Waffen ist die Erde nun unbewohnbar. Die verbliebene Menschheit überlebt in Raumschiffen. Hier herrscht eine eigene strenge Ordnung, das Kommando hat der Kanzler. Kleinste Vergehen werden mit hohen Strafen geahndet; wer ohne Genehmigung schwanger wird, wird zum Tod verurteilt.

Nach nun rund 300 Jahren nach der Katastrophe plant die Regierung, 100 jugendliche Straftäter gegen deren Willen auf die Erde zu schicken um festzustellen, wie hoch die Überlebenschancen mittlerweile sind. 

Jeder der straffälligen Jugendlichen hat sein Geheimnis. Denn bisher weiß niemand, weshalb der jeweils andere verurteilt wurde. 
Kaum auf der Erde angekommen, erwartet die Verurteilten Unglaubliches. Doch der Tod kann überall lauern. Die Jugendlichen befinden sich in großer Gefahr!

Meinung:
Auf „Die 100“ bin ich eher zufällig aufmerksam geworden. Bisher hatte ich eher von einer amerikanischen TV-Serie mit diesem Namen, die zugegebener Maßen ziemlich erfolgreich sein soll, davon gehört. Nun steht der Serienstart auch in Deutschland zur Primetime an. Und zur Serie wird nun auch der erste Teil von „Die 100“ veröffentlich. Die Idee hörte sich für mich zu gut an, um die Geschichte nicht lesen zu wollen und so ergriff ich die Chance, die sich mir plötzlich bot und begann mit dem Buch.

Und so tauchte ich ein in diese Zukunftsvision unserer Welt und fand mich vorerst an Bord der Raumschiffe wieder. Nacheinander lernte ich nun verschiedenste Charaktere kennen und konnte mich mit ihnen vertraut machen. Da gab es die zielstrebige und intelligente Clarke, die wegen eines Vergehens verurteilt worden war und Wells, der aufgrund von Gutgläubigkeit ziemliche Schuld auf sich geladen hat. Ich traf Bellamy, der immer nur das Wohl seiner Schwester im Auge hat und Glass, die ihrem Freund ein Geheimnis vorenthielt, damit er nicht bestraft wird und dafür ins Gefängnis gekommen ist.

Was lag für die Regierenden also näher, als genau solche jugendlichen Straftäter, die mehr oder weniger nur die Ressourcen auf den Raumschiffen verschwenden, auf eine so gefährliche Mission zur wahrscheinlich noch verstrahlten Erde zu schicken. Überleben sie, können die Menschen die Erde wieder bevölkern, sterben sie, wird ihnen niemand hinterhertrauern. 

Der Weltentwurf von Kass Morgan hatte mich dann auch recht schnell überzeugt. Diese Gemeinschaft auf den Raumschiffen war in einen privilegierten Teil und Menschen, die ohne Annehmlichkeiten und Luxus auskommen musste, gespalten. Strenge Gesetze regeln das Zusammenleben, jeder Verstoß wird hart bestraft. Überbevölkerung muss man auf jeden Fall vermeiden, da die Raumschiffe nicht eine unbegrenzte Zahl von Menschen versorgen können. Und so entwickelte sich die Grausamkeit des Systems nach Jahrhunderten zur Normalität, die jeder mehr oder weniger akzeptierte.

Kass Morgan präsentierte mir ihren Plot in dritter Person Vergangenheitsform aus wechselnden Sichten. Die enthaltenen Dialoge brachten mir das Geschehen durchweg näher und füllten die Geschichte mit Leben. Durch einen geschickten Schachzug Kass Morgans entwickelten sich zwei Handlungsstränge, die einerseits auf der Erde bei den Jugendlichen, andererseits auf den Raumschiffen spielten. So hatte ich jederzeit die gesamten Sichten und Entwicklungen im Blick. Wirklich gelungen fand ich die von der Autorin immer wieder eingebauten Rückblenden aus der Vergangenheit einzelner Charaktere, die Zug um Zug das Geschehene beleuchteten und enthüllten, welche Straftat jemand begangen hat. Ich muss schon sagen, dass es teilweise wirklich heftig war, wegen welcher Taten man doch so verurteilt werden konnte. 

Clarke schien mir anfangs ein wenig unnahbar, doch bald konnte sie mich auf ihre Seite ziehen. Die Entdeckung, wegen der sie eingesperrt wurde, konnte einem auch wirklich zu schaffen machen. Zu extrem war die Vorstellung, dass jemand so etwas tun könnte. Dass sie sich früher oder später jemandem anvertrauen musste, war mehr als nachvollziehbar. Doch damit begann der Anfang vom Ende für Clarke.

Wells schien mir von Beginn an ziemlich sympathisch. Im weiteren Verlauf bröckelte diese Sympathie das eine oder andere Mal, behielt im Endeffekt jedoch die Oberhand. Böswilligkeit kann man ihm wirklich nicht unterstellen, Wells wollte eigentlich nur helfen. Dass durch seine Hilfsbereitschaft letztendlich ein nicht wiedergutmachbarer Schaden entstanden ist, der jemanden ins Gefängnis gebracht hat, war nicht vorherzusehen. Er hofft auf eine zweite Chance. Nur wird er diese tatsächlich bekommen?

Die Charaktere fand ich, wenn auch nicht in der Tiefe, so doch insgesamt recht vorstellbar und prägnant beschrieben, so dass ich immer wusste, mit wem ich es zu tun hatte und wie die Geschichte bis dahin für sie oder ihn verlaufen ist.

Kleinere Unwägbarkeiten und auch nicht immer durchgängig nachvollziehbare Handlungen konnte ich verzeihen, da ich ziemlich an den Plot gefesselt war und diese nur im Vorüberziehen überhaupt bemerkte. Die Idee und die Umsetzung waren für mich einfach zu fantastisch, als dass ich mir über diese tatsächlich Gedanken machen würde. Vielleicht kam die Geschichte auch einfach nur zum richtigen Zeitpunkt für mich. Aber egal, ich konnte mich hier völlig darauf einlassen und habe es genossen.

Das Ende des ersten Bandes hat Kass Morgan so gestaltet, wie ich es befürchtet habe. Ein gemeiner Cliffhanger ließ meinen vorläufigen Abschied kurz werden und ich musste das Buch einerseits doch schmunzelnd hinsichtlich dieser Grausamkeit mir gegenüber zur Seite legen. Denn die Autorin hat es damit auf jeden Fall geschafft, dass ich das Erscheinen des zweiten Bandes nun noch weniger erwarten kann. Zum Glück kann ich mich nun erstmal mit der im TV erscheinenden Serie „Die 100“ trösten.

Urteil:
„Die 100“ fesselte mich mit einem gelungenen Weltentwurf, einer spannenden Umsetzung und gut interagierenden Charakteren. Meinen Lesegenuss belohne ich deshalb mit knappen 5 Büchern.

Für alle, die grausame Zukunftsszenarien nicht fürchten, in unbekannten Welten bestehen können und ihre Ziele konsequent verfolgen.

Die Reihe:
1. Die 100
2. Day 21 (OT, ET 2014)
3. Homecoming (OT, ET 2015)

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