Rezension

Ein genialer und rasanter Thriller - lesenswert!

Karl  -ausgeliefert - Bernhard Giersche

Karl -ausgeliefert
von Bernhard Giersche

Bewertet mit 4.5 Sternen

Alles beginnt mit einer spektakulären Entführung. Das Opfer: Karl Grothner - Multimillionär und Chef von "Grothner Solutions", einem Imperium mit mehr als zehntausend Angestellten. Ein Kleinkrimineller landet den vermeintlichen Coup seines Lebens doch dann kommt alles anders als geplant, die Karten werden neu gemischt und ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt ...

"Das Spiel ist zu Ende, wenn ich sage, dass es zu Ende ist!"

Gestaltung, Stil, Leseeindruck
(eBook Kindle ISBN: 978-3-943795-97-4, Begedia-Verlag, 2014):
Im Rahmen einer Leserunde, die vom Autor selbst ins Leben gerufen wurde und die er sehr intensiv begleitet hat, entpuppte sich dieser Thriller als ein kleines Juwel. Zwar war mir der Autor Bernhard Giersche bereits aufgefallen ("Das letzte Sandkorn", 2013 erschienen, hatte mein Interesse geweckt), doch hatte ich weder sein Erstlingswerk noch irgend etwas sonst von ihm gelesen. Definitiv wird sich das nun ändern, denn Giersche konnte mich sowohl mit "Karl -ausgeliefert-" als auch mit seiner äußerst sympathischen Art überzeugen.

Was dem Cover meiner Meinung nach etwas an Würze fehlt, gleicht der Inhalt doppelt wieder aus. Von der ersten Seite an, versteht es der Autor den Leser zu fesseln. Die angenehme Länge der Kapitel, die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden, die eingeschobenen mit "Keller" betitelten Abschnitte, die gleichermaßen neugierig machen wie auch Fragen aufwerfen, der flüssige Schreibstil, der wohl durchdachte, intelligente Plot und nicht zuletzt die besonderen Charaktere bilden in der Summe eine richtig gute Mischung. Giersche beherrscht sein Handwerk!

Doch was genau macht diesen Thriller denn jetzt zu einem Juwel?
Da ich nicht näher auf den Inhalt eingehen möchte (zu groß ist die Gefahr zu viel vorwegzunehmen) ist es schwer diese Frage zu beantworten. Doch eine Besonderheit sei hier erwähnt: Die Hauptprotagonisten sind ungewöhnlich, allen voran der Protagonist Karl Grothner. Er ist nicht nur das Entführungsopfer, sondern auch extrem manipulativ, berechnend und vor allem ein Psychopath. Giersche führt ihn gekonnt ein und dem Leser wird sehr schnell klar: Dieser Mann ist ein Scheusal, das seinesgleichen sucht. Damit entzieht Giersche dem Opfer von vornherein jeglichen Mitleidsbonus und verkehrt die "normale" Rollenverteilung ins Gegenteil. Karl stößt ab und doch auch wieder nicht, denn man kann nicht umhin, ihn für seine Intelligenz und sein Durchsetzungsvermögen zu bewundern. Er polarisiert extrem, was in unserer Leserunde sehr deutlich wurde. Aber auch einige andere Charaktere sind genial ausgearbeitet und entwickeln sich teilweise unvorhersehbar.

Was bringt den Thrill bei dieser Geschichte?
Selten habe ich beim Lesen so oft gedacht: "Wie jetzt?!" Immer wieder lockt Giersche den Leser auf eine falsche Fährte, spielt mit Hinweisen und Andeutungen, nur um dann das Ruder wieder herumzureißen. Wer ist das Opfer, wer der Täter und wer besteht den Kampf am Ende? Und auch wenn ich zwischenzeitlich hier und da eine vage Ahnung hatte, blieb der Schluss - zumindest für mein Empfinden - unvorhersehbar. Ein wichtiger Punkt für einen guten Thriller.

Was gibt es auszusetzen?
Ein winziger persönlicher Kritikpunkt bleibt: Die Besonderheit des Protagonisten - seine ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung - hebt diesen Thriller einerseits von der breiten Masse ab, andererseits kann dieses Krankheitsbild (wenn man es so nennen darf) einen Laien auf diesem Gebiet auch ein wenig überfordern oder zumindest verwirren. Und Karl ist nicht die einzige gestörte Persönlichkeit in diesem Buch (mehr möchte ich aber nicht verraten). Giersche hat dieses Thema allerdings sehr gut recherchiert, was man deutlich merkt. Im Nachwort geht er explizit darauf ein. Um mit seinen Worten zu sprechen: "Es gibt nichts, was es nicht gibt, die Realität beweist das stets aufs Neue."

Was bleibt?
Ein Lesevergnügen, das auch nach dem letzten Kapitel noch Raum für Spekulationen bietet. Das Buch lässt einen so schnell nicht los. Den zartbesaiteten Gemütern sei eine kleine Warnung ausgesprochen. Neben Spannung und Nervenkitzel kommt der Ekelfaktor bei "Karl -ausgeliefert-" nicht zu kurz.

Fazit:
Insgesamt ein rundum gelungener Thriller mit durchweg hohem Spannungsfaktor und überraschenden Wendungen sowie einzigartigen Charakteren. Zu keiner Zeit gab es Längen. Schon jetzt bin ich sehr gespannt auf die Fortsetzung und bin sehr froh darüber wieder einen neuen deutschen Autor für mich entdeckt zu haben. "Das letzte Sandkorn" ist bereits bei mir eingezogen.

– 4,5 von 5 Sternen –

Kommentare

lord-byron kommentierte am 27. Oktober 2014 um 21:15

Ich finde das Buch so klasse und hatte das Glück, es in einer Leserunde mit dem Autor zu lesen.

yvy kommentierte am 27. Oktober 2014 um 22:01

War das hier im Fragenthread?
Da war ich auch dabei. ;)

lord-byron kommentierte am 27. Oktober 2014 um 23:47

Nein, ich war bei Lovelybooks dabei.