Rezension

Ein Leben für die Liebe – ohne Netz und doppelten Boden

Frau von Goethe -

Frau von Goethe
von Beate Rygiert

Bewertet mit 5 Sternen

Christiane Vulpius war eine faszinierende Frau. Was sie für ihr Lebensglück in Kauf genommen hat, kann man gar nicht hoch genug ansehen in der damaligen Zeit. Im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert war eine Frau nur dann „abgesichert“, wenn sie von einem Mann geheiratet wurde, der die Familie ernähren konnte.

Nun war ihr Geheimrat Goethe, in den sie sich als junge Frau Hals über Kopf verliebte, wahrlich nicht arm. Aber er glaubte nicht an die konventionelle christliche Lehre und somit auch nicht daran, dass eine Ehe nur dann eine Ehe ist, wenn sie mit einer Heiratsurkunde besiegelt ist. Von Anfang an machte er Christiane klar, dass er sie nicht heiraten würde. Und sie akzeptierte das. Das könnte man absolut naiv nennen – oder aber mutig. Denn das, was zwischen Goethe und seiner Christiane war, scheint wirklich echte Liebe gewesen zu sein. Er ließ sie und ihre Verwandten (Tante und Schwester) mit bei sich einziehen, sorgte für ihre Liebsten und bekam mit Christiane auch Kinder. Nur die Heiratsurkunde musste sich Christiane „abschminken“.

Nun war das Leben in „wilder Ehe“ damals wirklich kein Zuckerschlecken für eine Frau. Christiane wurde verunglimpft, verspottet, ihr blieben viele Türen verschlossen. Hinter ihrem Rücken wurde sie beschimpft, aber manche machten sich gar nicht erst die Mühe, dies hinter ihrem Rücken zu tun. Doch Christiane legte sich ein dickes Fell zu und hielt es aus. Das muss damals wirklich echte Liebe gewesen sein, denn die Opfer, die sie dafür brachte, waren groß. Nicht nur das Gerede der Leute – sie war ja auch in keinster Weise abgesichert.

Wenn Goethe etwas passiert wäre, hätte sie mittellos dagestanden. Und ohne Dach über dem Kopf, denn sie hätte ja das Haus am Frauenplan oder das Gartenhaus an der Ilm im Park von Weimar nicht erben können. Zwar versuchte Goethe Vorkehrungen zu treffen, er erkannte auch den gemeinsamen Sohn als legitimes Kind an, aber er war bei diesen „Absicherungen“ immer von der Gnade seines Dienstherrn, des Herzogs, abhängig. Wenn es dort eine Machtverschiebung gegeben hätte – was zu damaliger Zeit doch öfters vorkam, wäre trotz allem guten Willen all dies umsonst gewesen.

Und noch etwas muss man Christiane zugute halten: mit einem Mann wie ihrem „Dichterfürsten“ muss man auch umgehen können… so wie das Buch ihn schildert, scheint er mitunter ein recht sprunghafter Charakter gewesen zu sein – schnell von etwas begeistert, ohne zu durchdenken, was eine Entscheidung auf längere Sicht für Konsequenzen hat. So kaufte er schon mal die eine oder andere Immobilie, die sich im Nachhinein als unnütz herausstellte und war drauf und dran, seinen ganzen (großen) Hausstand umzusiedeln – ob es ihnen nun gefiel oder nicht – weil er sich z. B. einbildete, das Landleben würde ihnen besser bekommen als das in Weimar.

Auch war er mit zunehmendem Alter immer empfindlicher, ließ Christiane öfters allein um in Ruhe arbeiten zu können, zeigte gleichzeitig hypochondrische Züge und war eben „eine Künstlerseele“. Damit muss man erstmal umgehen können – und sich dafür selbst zurücknehmen, obwohl man wenig Gegenleistung dafür erhält – und schon gar keine Heiratsurkunde.

Erst sehr spät, nach einem einschlägigen Erlebnis, heiratet Goethe seine Christiane doch noch. In einer – wie es seinem Naturell entspricht – Nacht- und Nebelaktion.

Wie gesagt – Christiane ist eine faszinierende Frau und es war höchst interessant, hinter die Fassade des Goethe’schen Haushalts zu blicken auf die Frau, die dem großen Dichter zeit ihres Lebens den Rücken freihielt und gleichzeitig den Rücken stärkte. Vielleicht wäre Goethe nie eine solche „Institution“ geworden, wenn er Christiane nicht gehabt hätte – die starke Frau an seiner Seite. Packend geschrieben und emotional erzählt!