Rezension

Ein Leben im Schatten anderer

Fräulein Schopenhauer und die Magie der Worte -

Fräulein Schopenhauer und die Magie der Worte
von Lucca Müller

Bewertet mit 4 Sternen

Adele Schopenhauer war mir bis zu diesem Buch gänzlich unbekannt- ganz im Gegensatz zu ihrem Bruder. Eigentlich sollte man inzwischen daran gewöhnt sein, wie viele bemerkenswerte junge Frauen ein Schattendasein neben einem berühmten Vater, Bruder oder Ehemann führten. Trotzdem bin ich jedes Mal wieder überrascht, wenn ich über solch ein Schicksal lese. 

Zum Inhalt: nach dem tragischen Tod des Vaters zieht es Familie Schopenhauer nach Weimer, wo sich die Mutter in Gesellschaft von Literaten und Frauenkränzchen sehr wohlfühlt. Doch um die Finanzen der Familie steht es immer schlechter, denn welchen Beruf kann eine ehrbare Frau schon ausüben? Und Adele, im Bestreben es allen recht zu machen, stellt ihre eigenen Wünsche und Talente zum Wohle der Familie hinten an. 

Wie es bei solchen historischen, biografisch angehauchten Romanen gerne der Fall ist, umfasst das Buch einen sehr großen Zeitraum, sowie wechselnde Handlungsorte. Überrascht war ich zunächst, dass die Namensgeberin der Geschichte bis ungefähr zur Hälfte des Buches eher eine untergeordnete Rolle hinter ihrer Mutter, die für mich das Zentrum der Handlung dominierte, spielte. Das mag am zarten Alter von Adele und den Lebensumständen der Familie liegen, trotzdem war ich zunächst unsicher, worauf eigentlich der Fokus der Geschichte liegt. 

Hier im Buch werden viele Themen behandelt, die Adele im bestenfalls tangieren, teilweise gar nicht wirklich betreffen wie zB die Krankheit des Vaters, die gesellschaftliche Stellung und der kulturelle Umgang der Mutter und der Lebensweg des Bruders. Selbst in ihrer eigenen Geschichte spielte Adele eher eine untergeordnete Rolle, was sich erst zum Ende hin nach dem Tod der Mutter ändert. Aber da ist das Buch dann quasi auch fast vorbei.

Was aber hängen blieb, war die Andersartigkeit von Adele, ihr Wunsch zu Gefallen, dem sie sich regelmäßig unterwarf und der Versuch, die verbleibende Familie irgendwie zusammenzuhalten, ohne jemandem auf die Füße zu treten. Schnell merkt Adele, und mit ihr der Leser, dass sie am anderen Geschlecht wenig Interesse hat, gleichzeitig werden Szenen der häuslichen Gewalt der damaligen Zeit aufgezeigt, die Adele in weitere Hilflosigkeit versetzen. 

Das Buch besteht also größtenteils aus Alltagshandlungen, in denen das Namedropping berühmter Künstler der damaligen Zeit für den notwendigen Glamourfaktor sorgen soll. Und obwohl mich die einzelnen Episoden der Erzählung für sich selbst gesehen nicht unbedingt vom Hocker gerissen haben, so ergeben sie doch ein in sich sehr stimmiges und durchaus ansprechendes Gesamtbild, in dem sich Adele schwer greifbar, aber das macht auch irgendwie ihren Charme aus, umherbewegt.