Rezension

Ein starker Kampf, nicht gut dargestellt.

Im Leben bleiben - Paul van Dyk

Im Leben bleiben
von Paul van Dyk

In diesem Buch fasst der DJ Paul van Dyk seine Erlebnisse vor und nach einem schweren Unfall, bei dem er mehrere Schädel-Hirn-Traumata und Wirbelsäulenbrüche erlitt, zusammen. Dabei wirft er auch kurz einen Blick auf seine Biografie und musikalische Leidenschaft.
Zunächst ist mir wichtig zu betonen, dass der Autor einen wichtigen Kampf in seinem Leben schildert, dem man nur mit Respekt gegenübertreten kann. Leider macht er dies literarisch überhaupt nicht anspruchsvoll und das Buch wird dadurch nicht mehr als eine kurzweilige Lektüre.
Was direkt auf dem Cover, im Umschlag und auch weiter im Buch verheimlicht wird: Fast die Hälfte des Buches hat seine Frau aus ihrer Sicht geschrieben. Das ist eine sehr gute Idee, um auch den Blick einer Angehörigen aufgezeigt zu bekommen, aber das gehört einfach klar benannt. So ist die Lektüre zunehmend verwirrend, wenn sich abschnittsweise - mitunter auf einer Seite mehrmals - ohne Hinweis die Erzählperspektive verändert und man als Leser stets aufs neue erraten muss, wer nun gerade zu Wort kommt. Da hätte es einfache Möglichkeiten gegeben, dies besser kenntlich zu machen. So fehlen dem Leser auch jegliche biografische Angaben zur Mitautorin, um deren Schilderungen besser einordnen zu können.
Ebenso scheinen die Verfasser davon auszugehen, dass bereits viel Hintergrundwissen zum Unfall und die Zeit danach bekannt ist. Es werden mitunter Punkte eingeworfen, die nicht weiter erläutert werden, wie z.B. "dieser Typ, der [nach dem Unfall] durch die Gegend twitterte". Es wird nichts dazu gesagt, was dieser Mensch geschrieben hat, wer er ist etc. Als Leserin, die in solchen Netzwerken nicht aktiv ist, fühlt man sich hier nicht abgeholt. Oder es wird einfach gesagt "wie bei Michael Schumacher". Ja, mir ist wissend, dass dieser einen Skiunfall hatte, inwiefern dies mit Paul van Dyk vergleichbar ist, sollte herausgearbeitet werden, wird es aber nicht.
Die Geschehnisse werden auch zeitlich in keiner Weise eingeordnet. Man liest am Anfang von "Februar" und später mal von "Juni". Es fehlen im Krankheitsverlauf Orientierungspunkte, anhand derer man sich besser vostellen könnte, wie schnell sich Paul van Dyk wieder aufgekämpft hat.
Inhaltlich ist der Mittelteil mit dem Krankheitsverlauf der interessanteste, leider wird nicht detailiert genug darauf eingegangen. Welche Hilfsmittel hatte der Autor? Wie hat das rein praktisch alles funktioniert? Auch wird der erste Auftritt nach der Rehabilitation nur angesprochen, benannt, aber überhaupt nicht beschrieben. So bleibt der Leser unwissend zurück und hat wenig Vorstellung davon, wie dieses scheinbare Wunder und wichtige Ereignis für den Autor abgelaufen ist.
Stilistisch/literarisch/sprachlich ist das Buch tatsächlich wenig anspruchsvoll. Ob es ein Lektorat gab, weiß ich nicht. Es ist zumindest nicht anhand der Qualität des Textes zu erkennen.
Insgesamt ist das Buch irgendwie nichts halbes und nichts ganzes. Es kratzt kurz an der Biografie, aber zu wenig, um "Biografie" genannt zu werden. Es benennt Elemente der elektronischen Dance-Musik, ohne aber ein größeres Interesse beim Leser zu wecken oder eine konkrete Verbindung zum Rest des Buches herzustellen. Es beschreibt den Krankheitsverlauf und Weg zurück auf die Bühne, aber ohne ins Detail zu gehen, weder praktisch noch psychologisch. Hauptsächlich verbreitet es das Mantra der Liebe als stärkste heilende Kraft. Das wird immer wieder wiederholt, bis es auch der Letzte verstanden hat.
Ich möchte Paul van Dyk nicht unterstellen, dass er dieses Buch [mit seiner Frau zusammen (!)] für seine Fans geschrieben hat. Aber ich würde vermuten, dass Fans am meisten damit anfangen können. Für jemanden, der sich für die Geschichte als solche interessiert, ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen zur Person zu haben, enttäuscht das Buch. Da gibt es viel anspruchsvollere, bessere Werke zum Thema, wie z.B. "Du stirbst nicht" von Kathrin Schmidt!