Rezension

Ein Vademekum in einer akuten festgefahrenen Situation

Der emotionale Rucksack - Vivian Dittmar

Der emotionale Rucksack
von Vivian Dittmar

Bewertet mit 5 Sternen

Die richtige Kost zum richtigen Zeitpunkt!

Die richtige Kost zum richtigen Zeitpunkt!

Mir wurde der Ratgeber “Der emotionale Rucksack” von meiner Zahnärztin empfohlen, als ich auf ihrem Behandlungsstuhl einem Weinanfall spontan erlag und vom letzten auslösenden Vorfall berichtete. Was ich zu dem Zeitpunkt nicht wusste, meine Zahnärztin hatte mir unbewusst einen Raum geboten zur emotionalen Ladung. Weinen war bei mir in der letzten Zeit zunehmend ausgeblieben.

Ich habe in meinem Leben schon viel gelesen, auch an psychologischen Ratgebern, das Buch von Vivian Dittmar war in meiner jetzigen traumatischen Phase, das I-Tüpfelchen, das Vademecum, das ich gebraucht hatte.

Ich hadere seit langem mit meinen Werten (Loyalität, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit), die ja im Prinzip nichts Schlechtes sind, mein Absolutheitsanspruch machte mir jedoch zu schaffen, der so manchen Konflikt in die Länge zieht und das Tor zu einer Annäherung zwischen den Involvierten verstellt. Dittmar hat mir mental auf die Sprünge geholfen, was für mich sehr wichtig ist.

Meinen emotionalen Rucksack muss ich mir jetzt erst einmal noch alleine anschauen und vor allem einen mitfühlenden Partner finden, mit dem ich einen Raum zwecks emotionaler Ladung regelmäßig teilen kann. Auch hier hatte ich mich bislang an die falschen Mitspieler gewandt, nämlich die im Konflikt Involvierten. Vor allem habe ich auch die emotionale Ladung meines Konfliktpartners jetzt verstanden!

Das Cover gefällt mir, das Bild des “Rucksacks”, das sich durchs ganze Buch zieht, inhaltlich und auch in der metaphorischen Sprache, als Wanderin ist es mir per se eingänglich und ich weiß auch, wie unterschiedlich schwer Rucksäcke und dabei je nach dem mehr oder weniger belastend sein können.

Der Ratgeber ist gut zu lesen und mit humoresken Sprenkeln versehen, so dass er durchaus auch mal zum Schmunzeln einlädt. Gut gelingt auch,den Leser in die Vogelperspektive zu hieven, von wo aus er von oben auf das “eigene Konfliktgeschehen” und den anderen Beteiligten blickt. Ich wurde durch die Lektüre durchaus zum Perspektivenwechsel und zum Mitgefühl befähigt und erkannte auch “Fehler”, die ich in mancher Konfrontation gemacht hatte.

Gewöhnungsbedürftig war für mich zunächst das “Geduze”, das ich aus Fachliteratur nicht unbedingt kenne, auch wenn “du” als “man” uminterpretiert werden könnte. Schließlich sind wir nicht in Amerika. Manche Formulierungen habe ich als “weird” empfunden, sie haben mich ein wenig überfrachtet: “ (…) Herausforderungen. Manche von diesen scheinen gottgesandt oder der anarchischen Willkür eines seelenlosen Universums geschuldet, (...)” (S. 19).

Gut gefallen hat mir die Unterscheidungen zwischen “Gefühl” und “Emotion”, von “Mitgefühl” und “Mitleid”, die mir bislang mental so nicht bewusst waren.

Von den Übungen habe ich (noch) keinen Gebrauch gebracht, da ich noch auf der Suche nach einem “Partner” bin. Die Lektüre hat mich jedoch ein gutes Stück weitergebracht und ich kann den Ratgeber empfehlen, für Leser, die sich in problematischen Situationen v.a. mit sich selbst befinden und sich darauf einlassen wollen.