Rezension

Eine Reise in eine andere Welt..

Die Reise des Karneolvogels - Jeanette Lagall

Die Reise des Karneolvogels
von Jeanette Lagall

Bewertet mit 3.5 Sternen

Riki und Myra denken gar nicht daran, sich dem Schicksal zu fügen dass ihre Erziehungsberechtigten für sie vorgesehen haben. Einen Mann heiraten den sie nicht lieben und dann ihr leben mit Haushalt, Einkaufen und Kindern verbringen? Niemals. Also flüchten sie heimlich aus ihrem Pensionat. Die Haare haben sie abgeschnitten, ihre Kleider vergraben. Von nun an wollen sie als Jungen mit den Zirkusleuten durch das Land ziehen..

Riki und Myra wären in unserer Zeit wohl schon das, was man gemeinhin "starke Frauen" nennt - für die damalige Zeit ist das natürlich umso beeindruckender. Kein Wunder also, dass die beiden den Leser sofort in ihren Bann ziehen. Denn auch wenn das, was die beiden vorhaben einigen Menschen viel Kummer bereiten wird ist man intuitiv sofort auf ihrer Seite. Wer würde schon gerne ein fremdbestimmtes Leben leben?
Lagall beschreibt Rikis und Myras Zeitalter durchaus authentisch und entführt uns damit in eine völlig andere Welt. Nein, eigentlich in zwei. Denn das Leben der Zirkusleute ist eigentlich nochmal ein eigenständiges, mittendrin existierendes Paralleluniversum mit eigenen Regeln und Sitten.
Manchmal stolpert man kurz über Denk- und Handlungsweisen der Akteure - mir kam Ramiros Panik davor, sich in einen Jungen zu verlieben beispielsweise zu Anfang völlig überzogen vor - nur um dann festzustellen, dass das einfach eine treffende Beschreibung der damaligen Zeit war.

Manchmal war mir das Zirkusleben zwar etwas zu detailliert beschrieben (die Trainingseinheiten die sich teilweise auf mehrere Seiten erstrecken hätte ich nicht gebraucht) dadurch wirkt es aber absolut lebendig und greifbar. Selbst die Nebencharaktere, die wenig zur Handlung beitragen, sind in vielen schillernden Facetten ausgearbeitet.
Stattdessen hätte ich mir gewünscht, dass dem im Klappentext erwähnte Karneolvogel etwas mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird. Ich verstehe vollkommen, dass das den Rahmen gesprengt hätte und der Leser sich deswegen auf den zweiten Teil freuen sollte, dennoch fand ich es schade.

Lagall hat hier eine Geschichte geschaffen, die trotz einiger kleiner Schwachstellen verzaubert und manchmal ein bisschen wie ein Märchen wirkt. Man kann fliegen, abtauchen und mitfiebern. Lesenswert!