Rezension

Eine Weihnachtsgeschichte der etwas anderen Art – modern und voller Gefühle

Die Weihnachtsgeschwister - Alexa Hennig von Lange

Die Weihnachtsgeschwister
von Alexa Hennig von Lange

Bewertet mit 4 Sternen

Eine kleine, aber feine Familiengeschichte auf 143 Seiten, die zum Innehalten und Nachdenken anregt.

„Es schneite. Dicke, wattige Schneeflocken. Unendlich viele weiße, zarte Fladen kamen geradewegs aus dem milchigblauen Himmel heruntergesegelt. Fröhlich. Unabhängig. Heiter. Frei.“ (S. 9 - der Beginn dieser Geschichte)

 

Meine Meinung:

Friede, Freude, Eierkuchen zur Weihnachtszeit. Das ist in der Realität meist reines Wunschdenken, denn wenn die Familie aus allen Himmelsrichtungen zum Feste geballt aufeinandertrifft, sind Reiberein und Zänkereien meist vorprogrammiert. Mit einem solchen Plot beschert uns Bestsellerautorin Alexa Hennig von Lange eine moderne Weihnachtsgeschichte der besonderen Art. Einen Tag vor Heiligabend treffen die drei ungleichen Geschwister Tamara, Elisabeth und Ingmar mit ihren Familien bei ihren Eltern ein. Schnell explodiert die Stimmung und insbesondere bei Tamaras oft bitterbösen Kommentaren, die ein ums andere Mal die Grenzen überschreiten, ist beim Lesen schon fast Fremdschämen angesagt.

 

Trotz aller Streitereien ist dies aber eine Geschichte der leisen Töne. Eine Geschichte, bei der uns die Autorin einen tiefen Einblick in das Seelenleben ihrer Charaktere gewährt. Da ist zum einen die vorlaute, über-selbstbewusste Tamara, deren Ehe mit Quirin im Alltagstrott steckengeblieben und in der Elternverantwortung erstickt ist. So trauert sie alten Zeiten und längst verlorener Geborgenheit hinterher – und muss sich doch schmerzhaft eingestehen, dass sich die Welt weitergedreht, die Zeit verändert hat. Ihre kleine Schwester Elisabeth ist beruflich erfolgreich, dafür doppelt geschieden, hat zwei Kinder von zwei Männern – und mit Holger schon wieder einen neuen Mann an ihrer Seite, dem Tamara dann gleich auch schöne Augen macht. Komplettiert wird das Geschwistertrio vom kleinen Bruder Ingmar, der zusammen mit seiner Frau Siri (echt jetzt, Alexa, Siri?) überkorrekt bis borniert daherkommt und sich als Weltenretter sieht. So unterschiedlich die drei Geschwister auch sein mögen, haben sie doch etwas gemein, was ihnen selbst gar nicht bewusst ist: Sie alle haben die Leichtigkeit der Kindheit verloren – und die damals unzerstörbare Bindung zueinander.

 

Alexa Hennig von Lange zeigt mit dieser Geschichte auf, dass der äußere Schein oftmals gar nichts mit dem wahren Gefühlsleben der Menschen zu tun hat. Dass Streitereien, die oberflächlich auf Missgunst und Eifersucht beruhen, doch auch ein Ruf nach Hilfe, ein tief verborgener Wunsch nach Harmonie sein können. Ein Ausdruck verlorener Lebensziele und uneingestandener Wahrheiten. Es ist faszinierend und erschütternd zugleich zu lesen, wie sehr hier Selbst- und Fremdbild der Charaktere auseinanderklaffen in dieser „typisch dysfunktionalen“ Familie. Dabei gelingt es der Autorin ein ums andere Mal ganz hervorragend, die Leser*innen mit kleinen, symbolträchtigen Alltagsparabeln zum Nachdenken zu bringen („Lebenszeit in Tupperdosen packen“ – S. 10). So ist diese Geschichte ein Plädoyer dafür, innezuhalten, hinter die Kulissen zu schauen und auch in sich selbst hineinzuhorchen. Ein Aufruf für mehr Miteinander, mehr Menschlichkeit („Wir sind alle Menschen, in uns allen schlägt ein gutes Herz. Wir haben alle Gefühle. – Warum nur verhielten sich dann die meisten nicht so?“ - S. 64). So hinterlässt diese Geschichte trotz aller Streitigkeiten am Ende doch ein wohliges Gefühl im Bauch – und lässt mich kurz besinnen auf das, was wirklich zählt im Leben.

 

Das Einzige, was ich mich gefragt habe, ist, warum man dieses kleine, aber feine und liebevoll produzierte Buch in einer derart kleinen Schriftgröße gedruckt hat. Eine etwas größere Schrift und dafür ein paar mehr Seiten hätten dem Buch sicher nicht geschadet.

 

FAZIT:

Eine kleine, aber feine Familiengeschichte auf 143 Seiten, die zum Innehalten und Nachdenken anregt.