Rezension

Eine wunderbare Geschichte über die Familie, den Zusammenhalt und das Vergeben ...

Das Mädchen, das unsere Herzen brach - Julian Leatherdale

Das Mädchen, das unsere Herzen brach
von Julian Leatherdale

Bewertet mit 5 Sternen

Wenn du deine Familiengeschichte erforschen könntest und so nicht nur deine Mutter, sondern auch deine Tanten näher kennen lernen und auch besser verstehen würdest, würdest du es tun? Würdest du dem großen Familiengeheimnis entgegentreten, auch, wenn es einen großen Schmerz bedeuten würde? Wie würdest du dich entscheiden? 
Lisa hat ihre Entscheidung getroffen. Die junge Fotografin besucht fast täglich ihre Mutter Monika im Pflegeheim. Die einst erfolgreiche Autorin ist von ihrem Alter geprägt und wird vom Alzheimer heimgesucht. Ab und an hat sie lichte Augenblicke und in einem dieser Augenblicke erzählt sie ihrer Tochter Lisa von "Angie, das Mädchen, das unsere Herzen brach"...

Wir finden uns in Australien wieder. Es ist ein heißer Tag, die Sonne glüht vom Himmel herab und bescheint die Geburtstagsparty von Robbie Fox. Doch Robbie ist nicht auf seiner Party. Er rennt hinter einem Mädchen her, das er schon länger kennt und mit dem er von klein auf gespielt hat. Angie macht ihm an seinem 13. Geburtstag ein überraschendes Geschenk. Doch bevor er in den Genuss kommt, es in seinen Händen zu halten, stürzt er in die Tiefe und ward verloren. Mit diesem traurigen Zwischenfall beginnt die Geschichte der Familie Fox. Eine Familie, die einflussreich und mächtig ist und die über die Jahre hinweg lernt, dass man mit Geld weder Liebe noch Glück kaufen kann. 

Der Schreibstil des Autors hat es mir sehr leicht gemacht, in die Geschichte einzusteigen. Ich bin mit Angie im verborgenen zur Party von Robbie geschlichen und habe mich mit ihr wütend im Busch versteckt und auf die anderen Partygäste gesehen, immerhin waren die offiziell eingeladen. Angie nicht. Das Schicksal nimmt seinen Lauf... mit Robbies Tod zerbricht auch ein Teil der Familie Fox. Adelina, Robbies Mutter, bricht das Herz als ihr Sohn und einziges Kind stirbt. Ihre physische und psychische Gesundheit leide sehr darunter. Der Schmerz der leidenden Mutter ist deutlich spürbar und hat auch mich mit sich gerissen. Ihr Mann Adam ist ihr in der schweren Zeit keine große Stütze, denn er muss den Anschein einer heilen Welt nach außen hin wahren. Immerhin gehört ihm das Palace - das größte und schönste Hotel weit und breit. Nicht ahnend, was alles passieren wird, begibt sich der Leser mitten ins Leben der Familie Fox, ewig begleitet von Freya und Angie Wood, die hinter der Hecke des Palace' ein beschauliches Leben führen. Die Geschichte spielt zur Zeit des ersten Weltkrieges und verdeutlicht dem Leser einmal mehr, wie prägend die Zeit gewesen ist. Patriotismus, Heldenmut und die Soldaten werden gefeiert. Feinde sind schnell gefunden. Mit dem Ende des Krieges beginnt die Blütezeit des Hotels, doch auch dort wird im Geheimen ein Machtkampf ausgeführt.

Das Interessante an der Geschichte ist, dass sie aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird. Zunächst lernen wir die Sichtweise von Angie (Teil 1) kennen, die uns immer mehr aus der Vergangenheit erzählt - und uns immer wieder einen Zeitsprung in die heutige Zeit (2013) machen lässt, damit wir mit Lisa (einer Verwandten von ihr - der Grad wird allerdings nicht verraten!) die Geschichte ihrer Familie erforschen - solange ihr noch die Zeit dazu bleibt, da der Alzheimer ihrer Mutter immer weiter fortschreitet - , in Teil 2 führt uns Adelina durch die Geschichte und bringt uns das Leben im Palace und mit Adam näher. War er wirklich so ein Frauenheld und charmanter Mann, wie er sich nach außen hin gibt? Oder steckt doch mehr hinter seiner Fassade? Im letzten Teil (Teil 3) wird uns dich Sichtweise von Laura näher gebracht - wer Laura ist und was sie mit der Familie Fox zu tun hat, wird bereits in Teil 2 erklärt. 

Anfangs hatte ich noch einige Probleme, die Frauen und deren Geschichten auseinander zu halten. Mehr als einmal habe ich mir dann einen Stammbaum gewünscht, der im Buch mit aufgezeichnet ist. Doch erst am Ende wurde mir klar, dass genau DAS nicht sein durfte. Denn so bleibt das überraschende Ende der Geschichte tatsächlich dem Leser bis hin zur letzten Seite verborgen. 

Das Buch hat mich mehrere Tage "gekostet" - schöne Tage, mit vielen Lesestunden - ab und an war es doch zu langatmig, sodass ich dazu übergangen bin, die überschwänglichen und detailgetreuen Beschreibungen von Landschaften, Leuten und Situationen zu überfliegen, doch das tut der Geschichte als solche keinen Abbruch. Im Gegenteil, die verworrenen Bahnen, die die Geschichte und die einzelnen Schicksale genommen haben, haben dazu beigetragen, dass es für mich ein richtiges Lesevergnügen war! Das Buch ist ziemlich dick, mit seinen 510 Seiten kein "leichter Schmöker", aber es lohnt sich definitiv in Geschichte der Familie Fox einzutauchen und zu lesen, was uns Julian Leatherdale in seinem Debütroman über die "Familie, eine schicksalhafte Liebe und die Kraft der Vergebung" erzählen möchte.