Rezension

Empfehlenswert!

Das Leben kleben - Marina Lewycka

Das Leben kleben
von Marina Lewycka

Bewertet mit 4 Sternen

Georgie Sinclair, Mutter eines Teenagersohnes und einer gerade erwachsenen Tochter, frisch vom Ehemann getrennt, Mitarbeiterin eines Online-Magazins über Klebstoffe und „unveröffentlichte Autorin“ lernt eines Tages zufällig Mrs. Shapiro kennen, eine alte Frau, die mit sieben Katzen in einem baufälligen Anwesen wohnt. Als Mrs. Shapiro eines Tages ins Krankenhaus muss, ändert sich für beide Frauen das Leben …

Die Autorin beherrscht es, wunderbar skurrile Figuren zu erschaffen. Auch in diesem Buch lernen wir wieder eine ganze Reihe davon kennen (inklusive einiger Katzen). Besonders Mrs. Shapiro leuchtet hier heraus, sie ist eine exzentrische alte Dame, die Zustände in ihrem Haus ließen mich mehr als einmal schlucken, jedoch ist sie einem sehr sympathisch und man bangt um sie. Gleichzeitig hat sie ganz offensichtlich ein Geheimnis, das nicht nur Georgie sondern auch die Leser gerne gelöst haben möchten.

Auch Georgie, deren Name im Roman in allen möglichen Varianten benutzt wird (jeder Charakter hat eine eigene Namensvariante für sie), gefällt mir gut. Sie ist die Identifikationsfigur des Romans, ihr Leben ist es vor allem, das geklebt werden muss. Da die Geschichte in Ich-Form aus ihrer Sicht geschrieben ist, lernen wir sie sehr gut kennen, erleben ihren Frust, ihre Hoffnungen und Ängste und ihre Versuche, ihr Leben neu zu gestalten, hautnah mit – und alle anderen Charaktere aus ihrer Sicht. Ich finde, das passt sehr gut und gibt der Geschichte eine ganz eigene Stimmung. Recht lustig finde ich die Ausschnitte aus dem Roman, an dem sie gerade schreibt, schon der Titel ist klasse: „Das verspritzte Herz“ … Für mich etwas störend ist allerdings die Storyline um Geogies Sohn Ben, die meiner Meinung nach „zu viel“ ist und die ich nicht recht in die restliche Geschichte einordnen kann, zumal mir auch gar nicht gefällt, wie Georgie mit Bens Problemen umgeht, nämlich so gut wie gar nicht.

Auch sehr gut gefällt mir der Handwerker Ali, ein Palästinenser, durch den der israelisch-palästinensische Konflikt thematisiert werden konnte, Mrs. Shapiro ist nämlich Jüdin. Im Laufe der Geschichte erleben wir einige Rückblenden, in denen erfahren wir nicht nur jüdisches Leid sondern auch palästinensisches – und auch die ganz aktuellen Probleme beider Völker kommen zum Tragen. Jedoch setzt der Roman auf Toleranz und die Charaktere merken, dass einen Akzeptanz und Miteinander deutlich weiter bringt, das ist mir mich überhaupt die Botschaft dieses Buches.

Der Roman lässt sich sehr flüssig lesen, für mich ist er ein richtiger Pageturner. Dabei ist es nicht die übeliche Spannung, die einen dazu bringt, immer weiter zu blättern, nein, man möchte wissen, in welche Situationen Georgie noch so kommen wird, was mit Mrs. Shapiro passiert ist und noch passieren wird und mit welchen Charakteren Georgie (und der Leser/die Leserin) noch konfrontiert werden.

Das Buch lässt einen Schmunzeln, bietet aber auch Stoff zum Nachdenken und zum Mitleiden, es hat mich stellenweise betroffen und auch traurig gemacht, letztendlich hat sich aber immer ein Lächeln durchgesetzt. Ohne Bens übertriebene Problematik hätte ich gerne die volle Punktzahl vergeben, eine Leseempfehlung verdient der Roman aber allemal.