Rezension

Ernster als erwartet

Love Songs in London – Here comes my Sun -

Love Songs in London – Here comes my Sun
von Tonia Krüger

Bewertet mit 4 Sternen

"»Weißt du, was mich am meisten an Geschichte fasziniert? Die Fähigkeit der Menschen, die unvorstellbarsten Katastrophen zu überleben und einen Weg zu finden weiterzumachen. […] Menschen haben zu allen Zeiten täglich Gewalt, Verluste und Enttäuschungen erlebt. Manche Leute sind daran zerbrochen, viele haben eine erstaunliche Gabe bewiesen, nicht aufzugeben. Die Menschheit handelt oft nicht sonderlich klug, aber sie findet einen Weg – auch durch Schutt und Asche.«"

Band 2 der Love-Songs-in-London-Reihe war für mich das erste Buch der Autorin Tonia Krüger. Den zur Weihnachtszeit spielenden Reihenauftakt hatte ich leider verpasst, doch das in fröhlich leuchtenden Farben daherkommende Cover von "Here comes my Sun" sah mindestens genauso verlockend aus und hat mir direkt Lust auf Frühlingszauber in London gemacht.

Voller Vorfreude stürzte ich mich also in meine erste New-Adult-Romance des Jahres 2023 … und fand sie echt nicht schlecht. Allerdings blieben die Schmetterlinge im Bauch - die erhoffte Leichtigkeit und Flirtiness - aufgrund der mitunter doch recht ernsten Backgroundstory von Ryan leider aus.

"»Im echten Leben scheitert die Liebe an der Realität – immer und immer wieder. Trotzdem hört die Welt nicht auf, ans Happy End zu glauben.«"

So zynisch der männliche Hauptprotagonist (= "Herzensbrecher-und-Beziehungskiller-Ryan") zu Beginn wirken mag, er hat nachvollziehbare Gründe für sein abweisendes Verhalten. Seine gemeinsame Recherchearbeit mit Jamie zu "London’s Greatest Love Stories und was die Welt darüber dachte" las sich interessant und unterhaltsam, nur die eigentliche Love Story konnte mich nicht gänzlich mitreißen.

An Jamie faszinierten mich ihre Rationalität und Besonnenheit (ich fand es klug und wichtig, nach dem Erlebnis mit ihrem Exfreund Phil sofort ihre Frauenärztin aufzusuchen). Sie läuft nicht mit rosaroter Brille durchs Leben, ist ehrgeizig und durchsetzungsfähig. Bestes Beispiel: die Wahl ihres Studienfachs (Geschichte). Statt sich dem Willen ihrer Mutter zu beugen, hat sie auf ihr Bauchgefühl vertraut - eindeutig die richtige Entscheidung.

Es ist ein schöner Read - tiefgründig, schlüssig durchdacht und vom Schreibstil her angenehm. Dass ich die Geschichte als nicht so zauberhaft empfunden habe, wie ich ursprünglich gehofft hatte, liegt einzig in der Tatsache begründet, dass ich generell kein Fan vom Plot-Element 'Toxische (Familien-)Beziehungen' bin. Ich leide einfach immer zu sehr mit den liebenswerten Charakteren mit in puncto hilflose Wut, Frust und Ungerechtigkeit (Stichwort: emotionale Erpressung). Da könnte ich die Wände hochgehen! Im realen Leben mache ich bei sowas kurzen Prozess, distanziere mich eher von einem Menschen mehr, als dass ich mein eigenes Glück für das Seelenheil anderer aufopfere. Ich helfe von Herzen gerne, aber nicht bis hin zur Selbstaufgabe. Wer das anders handhaben möchte (- wie z.B. Ryan im Hinblick auf Nadine -): 'Best of luck to you. Es ist euer Leben und eure Entscheidung. Erwartet nur nicht von mir, dass ich bei dem Drama mitmache.'

Die Nebenfiguren waren mein Romanhighlight, insbesondere Jamies schlagfertige, lebenslustige Mitbewohnerin Lynn (Jamie selbst ist zwar auch nicht auf den Mund gefallen, aber Lynns Direktheit ist eine Klasse für sich) sowie Jamies Bruder.

Fazit:
Wer tiefgründige New-Adult-Romane mit ernster Thematik mag, wird mit diesem Werk viel Freude haben. Auch London-Fans kommen voll auf ihre Kosten. Band 1 möchte ich nun auf jeden Fall nachträglich lesen!