Rezension

Erschreckendes Szenario - Spiel mit der Wahrheit

Fake - James Rayburn

Fake
von James Rayburn

Catherine Finch ist als Ärztin nach Syrien gegangen, um zu helfen, doch sie wurde vom IS als Geisel genommen. Während ihrer Gefangenschaft werden ab einem bestimmten Zeitpunkt YouTube-Videos mit ihr veröffentlicht, die nicht unumstritten sind. Vielen positioniert sie sich nicht klar genug, denn fraglich ist vor allem, wird sie wirklich nur instrumentalisiert oder nimmt sie mittlerweile eine andere Position ein. Es besteht ein öffentliches und politisches Interesse an ihr. Dies führt bei ihrem Mann zu einer zweifelhaften Berühmtheit und einem aus den Fugen geratenen Lebenswandel. Als ein Drohnenangriff das Haus zerstört, in dem sich Finch mit einigen IS-Größen aufhielt, stehen plötzlich Politik und Geheimdienste unter Druck. Der amerikanische Präsident verfolgt in seinem letzten Amtsjahr einen prestigegeschuldeten Plan: Frieden im Nahen Osten. Utopisch, wie bei fast allen vorherigen Versuchen seiner Vorgänger, doch die Gelegenheit, dass der mächtigste Mann der Welt als Friedensstifter die politische Bühne verlässt und absolut unmöglich, wenn klar wird, dass eine amerikanische Bürgerin bei einem Drohnenangriff getötet wurde. Catherine Finch muss für die Öffentlichkeit am Leben bleiben. Ihr Mann muss mitspielen, doch der ist mitunter unberechenbar. In jedem Winkel der Welt gibt es Menschen, die Wahrheit neu schaffen, und wenige, die die Wahrheit kennen, diejenigen, die Geld bezahlen für das eine oder das andere und jene, die es nehmen. Der eigentlich längst in den Ruhestand getretene CIA-Agent Pete Town wird noch einmal reaktiviert, um in diesem Spiel die Fäden möglichst lange in der Hand zu halten. Doch nicht alle Marionetten sind leicht lenkbar. Und manchmal werden selbst die überrascht, die die Fäden in der Hand zu halten glauben.

Fake thematisiert die aktuelle Problematik der „alternativen Wahrheiten“.  Mittlerweile liefert uns die Medienlandschaft allgegenwärtige Information, schnelle Nachrichten aus jedem Winkel der Welt – vielleicht. Widerstreitende Interessen und technische Möglichkeiten bergen Gefahren der Manipulation, die weit jenseits der Mondlande-Verschwörungs-Theorie früherer Jahrzehnte spielt.

Dem Thema geschuldet, gibt es viele Protagonisten, und wer was warum will und für wen arbeitet und welche Ziele verfolgt werden ist manchmal ein wenig verworren, aber in diesem Fall auch nicht so, dass man einen Knoten im Kopf bekommt. Ich fand einen Gedanken von Pete Town ganz interessant, der sich mit seinem ehemaligen Gegenspieler über die Vergangenheit unterhält. Im kalten Krieg war es oft einfacher, die Fronten waren klar. Heute sind die Verstrickungen viel tiefgehender, die Interessen und Einflussbereiche wechselnd und die Zahl der Beteiligten variiert und wächst – genauso geht es auch mit den Romanen dieses Genres, die Weltpolitik hat den klassischen Agententhriller durch einen vielschichtigen, komplizierten Roman, in dem Geheimdienste ganz andere Aufgaben, Ziele und Verbündete suchen und erledigen, ersetzt.

Für mich war es insgesamt kein Thriller, der mich pausenlos in Atem gehalten hat, aber das tun Spionage-/Geheimdienst-Plots eigentlich in den seltensten Fällen. Am spannendsten sind für mich oft die menschlichen Abgründe, die Kaltherzigkeit, mit der Menschen einer Sache geopfert werden und die beispiellose Brutalität, der kalte Pragmatismus, die zur Zielerreichung eingesetzt werden. Davon bietet der Roman viel und hat mich daher auch gut unterhalten. Als Person taugt eigentlich nur Kirby zur positiven Identifikation für den Leser, alle anderen waren für mich persönlich zu weit von meiner Lebenswelt, meinen Werten entfernt, doch im Roman glaubwürdige Spieler auf ihren jeweiligen Positionen.

Fake ist kein zweiter Band zu Rayburns Roman „Sie werden dich finden“, spielt aber im gleichen Universum, so tritt beispielsweise der mächtige Mann im Hintergrund, der Klempner, auch hier auf, wobei Fake mir deutlich besser gefallen hat und von mir eine klare Leseempfehlung erhält.