Rezension

Es war einmal in Königsberg

Letzte Fahrt nach Königsberg - Ulrich Trebbin

Letzte Fahrt nach Königsberg
von Ulrich Trebbin

Bewertet mit 5 Sternen

Ulrich Trebbin entführt uns in seinem Debütroman nach Königsberg.

In mehreren Zeitebenen verfolgen wir die Geschichte der Ella Aschmoneit. Sie wächst als Tochter eines gut situierten Weinhändlers und ihrer abergläubischen Mutter Alice auf. Bis zum plötzlichen Tod des Vaters fehlt es Ella und ihren Geschwistern an nichts. Doch dann ist es plötzlich mit Beschaulichkeit und dem Wohlstand vorbei. Spekulanten nehmen der unbedarften Witwe die gut gehende Weinhandlung ab. Die Familie zieht in ein kleines Haus um, die Mädchen müssen die Schule und die Universität verlassen. Alice verfällt in depressive Trauer und misst dem aufkeimenden Nationalsozialismus keine Bedeutung bei.

Während die beiden älteren Schwestern bereits verheiratet sind und der einzige Sohn Hans beim Militär eine Fliegerausbildung macht, bleibt Ella sich ein wenig selbst überlassen. Geschickt umgeht sie Vorhaltungen der nach wie vor trauernden Mutter und übersiedelt zu ihrer Schwester nach Potsdam.

Man ist schon mitten im Krieg als sich zwischen Victor Jacoby und Ella so etwas wie eine Romanze entspinnt. Heiraten wird Ella allerdings den etwas älteren Hinrich, einen angehenden Historiker.

Um ihre eigene Familie, Ella und Hinrich haben inzwischen zwei Kinder, und die ihrer Schwester mit Nahrungsmitteln zu versorgen, entschließt sich Ella eine letzte Fahrt nach Königsberg zu machen. Denn, in ihrem alten Haus sind wahre Schätze versteckt: Eingerexte Köstlichkeiten, Mahlzeiten von denen die Menschen nur noch träumen können.

Meine Meinung:

Die Grundidee zu diesem Roman enthält einen wahren Kern und ist Teil der Familiengeschichte des Autors. Geschickt vermengt Ulrich Trebbin Wahrheit und Fiktion. Durch den häufigen Perspektivenwechsel, der auch mit mehreren Zeitebenen einhergeht, kann man sich diese bewegende und teilweise entbehrungsreiche Zeit sehr gut vorstellen.

Wir erhalten Einblick in den Alltag der Frauen, die ihre Kinder ohne Väter aufziehen müssen, die teilweise in Ruinen hausen und um jedes Lebensmittel anstehen müssen. Es sind immer die Frauen und Kinder, die unter Kriegshandlungen am meisten zu leiden haben.

Einfühlsam wird die Jugend gezeigt, die außer den Führer-Kult, Durchhalteparolen und die Vereinnahmung durch BDM und HJ nichts kennt. Viele Kinder sind indoktriniert und haben lieber einen toten Vater, der für den Führer gefallen ist, als einen lebenden, der mit dem Leben davongekommen ist, weil er rechtzeitig den Kopf eingezogen hat.

Der Schreibstil ist angenehm zu lesen. Kriegsszenen und Gräueltaten werden mit Augenmaß und nicht sensationslüstern beschrieben.

Die Charaktere wirken authentisch und haben Ecken und Kanten. Da vor allem Ella, die zwar mit beiden Beinen im Leben steht, aber auch manchmal ein wenig naiv zur Sache geht. Allerdings muss man ihr zugutehalten, dass sie natürlich auch auf die Propaganda der Regierung hereingefallen ist. Ella hat ihre lebensuntüchtige Mutter vor Augen und will eben anders sein. Dafür geht sie, z. B. mit der Fahrt nach Königsberg ein enormes Risiko ein. Dass es Alice letztendlich auch gelingt aus Königsberg vor der Ankunft der Roten Armee zu verlassen, grenzt schon an ein Wunder.

Gut gefällt mir, dass die Leser völlig unaufgeregt und unterschwellig historische Tatsachen und Details erfahren, ohne dass hier ein „oberlehrerhafter“ Ton herrscht.

Die Beschreibung der Städte, der alltäglichen Probleme und die sehr facettenreiche und immer wieder überraschende Ella machen den Charme dieses Buches aus.

Fazit:

Ein Autor, den man sich merken wird müssen, denn ich hoffe, in Zukunft wieder von Ulrich Trebbin lesen zu dürfen. Gerne gebe ich diesem Debüt 5 Sterne.