Rezension

Fesselnder Roman

Bergleuchten -

Bergleuchten
von Karin Seemayer

Bewertet mit 5 Sternen

„...Jubel brandete auf, als der Zug vor dem Bahnhofsgebäude hielt. Die Kapelle spielte die Schweizer Hymne. Dann öffneten sich die Türen und Menschen quollen aus den Waggons und füllten den Bahnsteig...“

 

Am 23. Mai 1882 wird in Göschenen der längste Tunnel der damaligen Welt eingeweiht, der Gotthard – Tunnel. Was aber war zuvor geschehen? Genau darüber hat die Autorin einen spannenden und sehr exakt recherchierten Roman geschrieben.

Der Schriftstil ist ausgefeilt. Er gibt die Zeitverhältnisse und damit die Sorgen und Nöte der Leute gut wieder.

Alles begann im Jahre 1872. Damals war Göschenen ein kleines verschlafenes Schweizer Dörfchen. Die Einwohnerzahl war überschaubar. Die Fuhrhalter waren es gewohnt, mit Pferd und Wagen den Gotthardpass zu überqueren. Die Tätigkeit sorgte für ihren Lebensunterhalt. Helene Herger begleitete ihren Vater Franz ab und zu. Er hatte ihr beigebracht, auch selbstständig das Fuhrwerk zu steuern.

Dann gibt es Gerüchte im Ort. Urs, ebenfalls Fuhrunternehmer, sieht die Probleme, Helenes Vater noch nicht.

 

„...Du nimmst das zu leicht. Wenn es einen Tunnel gibt, sind wir arbeitslos...“

 

Der Bau aber ist nicht aufzuhalten. Während Urs sich weiter dagegen stemmt, sehen viele andere die Möglichkeit, daran zu verdienen. Auch Franz nutzt die Gunst der Stunde und transportiert Material für den Tunnel. Dann vermietet die Familie das frei Zimmer am den italienischen Mineur Piero.

Sehr detailliert wird der Bau des Tunnels beschrieben. Als Leser kann ich die Arbeitsschritte gut nachvollziehen. Doch die Zeitvorgaben für den Bau sind hart. Deshalb vernachlässigt Louis Favre, der Verantwortliche für den Tunnelbau, den Arbeitsschutz. Fehlende Belüftung, harte Arbeitszeiten und extremer Stress führen zu Unfällen.

 

„...Das ist der Bergbau. Wenn du eine sichere Arbeit willst, musst du in eine Schreibstube gehen. Los geht’s, wir müssen den Schutt wegräumen...“

 

Enzos Worte klingen hart. Trotzdem gehört er zu den Vorarbeitern, die sich um ihre Leute kümmern und das Risiko minimieren.

Mittendrin wird die Liebesgeschichte zwischen Piero und Helene erzählt. Dabei ist Helene klar, dass ihre Eltern nie einer Heirat zustimmen werden. Und am Schicksal von Johanna sieht sie, was ihr bei einer ungewollten Schwangerschaft droht. Hinzu kommt, dass Piero im Tunnel permanent in Lebensgefahr schwebt.

Nach einem Streik wegen unmöglicher Arbeitsbedingungen muss Piero die Schweiz verlassen. Werden sie sich wiedersehen?

Ein ausführliches Nachwort, eine Liste der wichtigsten historischen Personen und ein Glossar runden die Geschichte ab.

Der Roman hat mir sehr gut gefallen. Er liest sich wie eine spannende Hommage für diejenigen, die beim Tunnelbau ihr Leben gelassen hatten. Bei der Eröffnung waren sie den Präsidenten nur zwei Sätze wert.