Rezension

Gute Idee, teilweise schwächelnde Umsetzung

Sternenschimmer - Kim Winter

Sternenschimmer
von Kim Winter

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Sternenschimmer" ist der Auftakt einer Jugendbuch-Trilogie von Kim Winter, die eine außerirdische Liebesgeschichte erzählt und im ScieneFiction-Bereich anzusiedeln ist.

Zum Inhalt: Die 17-jährige Mia lebt in der Zukunft auf der Erde, die sich durch den Klimawandel stark verändert hat. Die Kontinente sind teilweise überschwemmt, der Platz in den Städten ist knapp und Kuppeldächer beschützen die Menschen vor zu hoher Ozon-Strahlung. Auf dem fünf Lichtjahre entfernten Planeten Loduun, der mit der Erde diplomatische Beziehungen unterhält, ist Krieg ausgebrochen. Man beschließt, die Kinder der Loduuner aus der Gefahrenzone zu bringen und vorübergehend auf der Erde zu beheimaten. Mia meldet sich freiwillig, als Ehrenamtliche nach der Schule einige der Kinder zu betreuen, und lernt dabei Iason kennen, einen 18-jährigen Wächter von Loduun, der sie sofort fasziniert. Trotz vieler Differenzen entsteht zwischen beiden eine schicksalhafte Verbundenheit, die sie jedoch gegen die äußeren Umstände verteidigen müssen...

Die äußere Gestaltung des Buches, mit dem wunderschönen Cover auf einem hochwertigen Schutzumschlag über der eigentlich reinweißen Bindung und den skizzenhaften Blumen und Sternen an jedem Kapitelanfang, ist sehr gelungen. Auch der Schreibstil ist für ein Jugendbuch angemessen und überzeugend und hat durch die frische, manchmal ein wenig sarkastische Ich-Erzählerin Mia auch einige Schmunzler zu bieten.
Ansonsten wird in "Sternenschimmer" nicht lange gefackelt. Ohne eine längere Vorgeschichte ist man als Leser unmittelbar im Geschehen, wird durch eine Radiosendung über die eintreffenden Kinder von Loduun informiert und begleitet die Schülerin und Ich-Erzählerin Mia auf ihrem Weg als ehrenamtlichen Helferin. Auch der Spannungsverlauf blieb eigentlich während der gesamten Handlung recht hoch, sodass es nie langatmig wurde.

Die Grundidee, die sich hinter dieser Romanreihe verbirgt, empfinde ich als überaus durchdacht und sehr interessant. Der Kontakt zu einer außerirdischen Spezies, die den Menschen auf den ersten Blick sehr ähnlich sieht, sich durch ihre Lebensumstände und Einstellungen aber doch grundlegend von ihnen unterscheidet und zudem Fähigkeiten besitzt, die man wohl nur übernatürlich nennen kann. Auch die Lebensumstände der Loduuner scheinen sehr gut überlegt und konsequent und logisch umgesetzt zu sein. Die Loduuner leben in anderen Gemeinschaften, als auf der Erde, bevorzugen die Kälte und haben die Frage nach ihrem "Sinn", die die Menschheit seit Anbeginn ihrer Zeit mit Religiösität und Spiritualität zu beantworten versucht, für sich längst geklärt.

Durch die Grundidee der veränderten Erde in der Zukunft und der Ankunft der Außerirdischen selbst, finden außerdem einige wichtige Themen automatisch Einzug in die Geschichte, nämlich Rassenhass und Integration auf der einen und der Klimawandel, dessen Bekämpfung zur heutigen Zeit aus Sicht dieser Zukunftvision als unzureichend und gescheitert bezeichnet werden muss, auf der anderen Seite. Diese Themen werden jugendgerecht und nicht allzu moralisierend angesprochen und von den Protagonisten diskutiert, was mir gut gefallen hat, da es der Geschichte auch ein wenig aktuelle Relevanz gab.

Leider, und damit komme ich zu einem der Dinge, die mir weniger gefielen, wurde des weiteren versucht, auch andere kontroverse Themen in die Geschichte einzubauen, was ich als überflüssig bis störend empfand. Der Grundsatz "weniger ist mehr" hätte hier ruhig beherzigt werden können. Stattdessen werden Themengebiete wie Tierversuche, Vegetarismus oder Feminismus bröckchenweise in die Handlung eingeworfen und beinahe beiläufig diskutiert, nur um anschließend doch in ihrer Irrelavanz für die eigentliche Entwicklung der Geschichte unterzugehen.
Die Tierversuche und der Vegetarismus waren für mich einfach nur überflüssig und bestenfalls Stolpersteine im Lesefluss, während mich der Feminismus in Form der kompromisslos Männer-hassenden Greta, die mit ihrer Wut schon fast als cholerisch zu bezeichnen ist und mit ihrer Art einfach nur eintönig langweilig war, sehr störte und persönlich auch abstieß.

Die Liebesgeschichte zwischen Mia und Iason ist dagegen sehr gelungen, schön romantisch, manchmal leicht, aber auf eine erträgliche Weise, kitschig und vor allem nicht allzu übertrieben kindlich, wie es sonst manchmal in Jugendbüchern vorkommt und mich an dem Alter der Protagonisten zweifeln lässt. Vor allem Iason fand ich als Charakter auch sehr überzeugend, da er zwischen Mia und seinen Verpflichtungen gegenüber seiner Heimat hin- und hergerissen ist und Mia es ihm auch nicht immer leicht macht. Iason ist gleichzeitig charmant und abwechslungsreich, manchmal witzig und manchmal stur. Eine sehr schöne männliche Hauptfigur, die für mich andere, weniger gelungene Charaktere wie zum Beispiel besagte Greta ausgleichen konnte.
Auch andere Nebencharaktere fand ich sehr gelungen, darunter zum Beispiel Bert, den Betreuer der Kinder von Loduun, die Loduuner Kinder selbst oder Mias Mitschüler Frank, der sich ebenfalls ehrenamtlich in der Kinderbetreuung engagiert und durch seinen überlegten Umgang mit jeder Situation so manche Schwachstelle der Ich-Erzählerin ausgleichen konnte.

Ich wünschte nämlich, ich könnte von der Ich-Erzählerin Mia ähnlich positives berichten, wie von vielen anderen Charakteren - das kann ich aber nicht. Sie ist für mich die zweite Schwachstelle des Romans. Mit ihrem selbstlosen Weltverbesserertum, das sie anderen aufzudrängen versucht, und sich dabei sehr selbstverliebt und allwissend präsentiert, war sie mir schon nach einigen Seiten sehr unsympathisch und daran änderte sich nicht viel. Sie reagiert oft unerträglich impulsiv und unüberlegt. Außerdem möchte sie angeblich selbstständig sein und ist doch dermaßen abhängig von der Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch ihren Beschützer und Händchenhalter Iason, dass ich Selbstständigkeit beim besten Willen nicht entdecken konnte. Eher reiht sie sich leider ein in die Schlange hilfloser Jugendroman-Teeniemädchen, die höchstens durch unvorstellbare und kaum altersgerechte Naivität beeindrucken können. Selten konnte ich über ihr naives Gehabe schmunzeln, die meiste Zeit fand ich es anstregend.
Sollte sie doch mal in der Gefahr sein, bewusst entscheiden und dazu ihre grauen Zellen benutzen zu müssen, löst sich dieses Problem ganz einfach: Sie ist wie "paralysiert", nimmt nichts mehr um sich herum wahr und latscht in ihr Verderben - und zwar immer. Auch wenn jemand der "armen" Mia etwas böses sagt, verfällt sie automatisch in diese Schockstarre, um sich genüßlich zu bemitleiden - oder spuckt jemandem vor die Füße, was für mich das Unding überhaupt ist.

Überhaupt täte vielen Charakteren in "Sternenschimmer" ein bisschen weniger Impulsivität und Naivität und dafür ein wenig mehr Rationalität ganz gut. Leider führte Mias Verhalten und auch ihre Auffassung von Recht und Unrecht sowie auch das ihrer Freunde, dazu, dass für mich ihre angebliche Erzfeindin Mirjam als Feindbild zu keinem Moment wirklich funktionierte. Ganz im Gegenteil hatte ich sogar Verständnis für dieses vermeintlich so schlimme Mädchen und, wenn ich als Leser mit dem "Feind" mehr sympathisiere als mit der "netten" Protagonistin, dann läuft für mich einfach irgendwas falsch.

Fazit: Insgesamt ist es die schöne Grundidee und deren gute und spannende Umsetzung in der Handlung zusammen mit einigen schönen Charakteren wie dem Loduuner Iason, die mich über kleine Dinge, die mir weniger gefielen, hinwegsehen ließen, darunter die holprige Einbindung einiger überflüssiger Themen sowie der etwas unausgegorene Charakter der Ich-Erzählerin Mia, die sich leider oft ausgesprochen dumm verhält. Trotzdem ist die Geschichte an sich sehr schön, auch die Liebesgeschichte, sodass ich, nachdem ich erst zwischen 3 und 4 Sternen geschwankt bin, zu dem Schluss gekommen bin, dass Idee und Umsetzung wenn auch steigerungsfähig doch mehr als mittelmäßig sind. Daher 4 von 5 Sterne und die Hoffung, dass Mia als Charakter in den weiteren Teilen etwas an Verstand dazugewinnt.