Rezension

Hindipop und Lokalkolorit

Die wundersame Beförderung - Vikas Swarup

Die wundersame Beförderung
von Vikas Swarup

Indien, eine großartige Nation, eine großartige Geschichte, mit Europa durch langjährigen englischen Einfluß aus Kolonialzeiten verbunden, Exotik, Gurus, heilige Kühe, Slums, Menschenmassen, scharfes Essen, Ganges, Ghandi, Götter, Tempel, Hitze, Schlangen: was für eine Atmosphäre für ein modernes Märchen!

In Dehli hat die älteste Tochter der Familie nach dem Tod des Vaters Verantwortung übernommen, ihr Studium abgebrochen und sich eine Arbeit gesucht, um die Familie durchzubringen. Im Fachgeschäft für Elektronikartikel und digitale Unterhaltung ist sie eine Spitzenverkäuferin; solange nichts Unvorhergesehenes passiert, reicht ihr Gehalt, um über die Runden zu kommen. Aber es passiert immer Unvorhersehbares! Meist ist es negativ, doch manchmal auch überraschend positiv, so erhält Sapna Sinha das Angebot, Geschäftsführerin eines Multikonzerns zu werden, wenn, ja, wenn sie sieben Prüfungen besteht.

Die sieben zu bestehenden Prüfungen führen den Leser durch beinahe sämtliche gesellschaftlichen Missstände Indiens, die schwierige Geschlechterrolle, die es für Frauen gefährlich macht, Busreisen zu unternehmen oder nachts auf der Straße zu sein, die Armut, die perverse Blüten treibt, z.B. beim Organhandel, Korruption überall bis in die höchsten Behörden hinein; Castingshows, die die Bewerber verheizen, werden aufs Korn genommen und es wird vorgeführt wie die begeisterungsfähige Nation Indiens immer noch durch Hungerstreiks und Protestbewegungen zu bewegen ist und wie moderne Medien ihr übriges dazu tun, etwas zu verändern.

Indien zwischen Kastendenken und der Moderne, zwischen Aberglauben und Erfolgsstreben, zwischen Demut, Demütigung, Gleichgültigkeit, Ausgeliefertsein an diverse Mächte und andererseits Ehre, Nationalstolz und Bescheidenheit, sowie die Diskrepanz zwischen Stadt und Land, all solches Lokalkolorit kommt in Swarups Roman in bester Hindipopmanier zum Tragen und macht das Lesen unterhaltsam. Dass die Geschichte Unwahrscheinlichkeiten aufweist, macht nichts, ist sie doch märchhaft und will auch nichts anderes als Märchen sein.

Dennoch gibt es ein Manko. Und dieses Manko heisst Eintönigkeit. Die Prüfungen nehmen einen zu stereotypen Verlauf, um zu fesseln oder zu verzaubern und es gibt keine Nebenhandlung. Und monoton bleibt es auch trotz des actionhaften, nur gelinde überraschenden Endes.

Fazit: Vikas Swarup schreibt ein Märchen, das verfimt sicherlich wieder ein absoluter Bollywoodknaller werden wird, als Roman bietet es viel, aber klischeebehaftetes Lokalkolorit. Der Roman ist insofern leichte Unterhaltung, bleibt jedoch wegen seiner Gleichförmigkeit irgendwie stecken.

Kategorie: Märchen/Legende, Verlag: Kiepenheuer & Witsch, 2014