Rezension

Hinter den Mauern von Abigail's Hall

Der Faden der Vergangenheit
von Felicity Whitmore

Bewertet mit 5 Sternen

Die Oberstaatsanwältin Melody Stewart wird beruflich nach Stockmill versetzt und bezieht deshalb das alte Anwesen „Abigail’s Place“, das ihrer Familien gehört, während ihr Ehemann nebst Töchtern weiterhin in London bleibt. Melody will sich nebenbei dem Verkauf des alten Besitzes widmen, das seit 180 Jahren nicht mehr bewohnt wurde. Bisher hat sich Melody über ihre Familiengeschichte keinerlei Gedanken gemacht, doch mit den nach und nach aufgestöberten Tagebüchern der ehemaligen Bewohnerin Lady Abigail taucht sie immer mehr in deren Vergangenheit ein, die so einige Geheimnisse zu Tage fördern. Unterstützung erhält Melody dabei von ihrem Kollegen Detective Inspector Daniel Rashleigh, der ebenfalls eine Verbindung zum Anwesen und deren damaligen Bewohnern zu haben scheint. Werden Melody und Daniel den fast vergessenen Geheimnissen auf die Spur kommen?

Felicity Whitmore hat mit „Der Faden der Vergangenheit“ den Auftaktband ihrer neuen „Hampton Hall“-Trilogie vorgelegt. Der flüssige, bildhafte und atmosphärische Erzählstil zieht den Leser schon während des spannenden Prologs in die Geschichte hinein und fesselt ihn regelrecht an die Seiten, um gemeinsam mit Melody die Geheimnisse der Vergangenheit ans Tageslicht zu bringen. Gekonnt bringt die Autorin ihre Geschichte mit wechselnden Handlungssträngen und Perspektiven an den Leser, der sich mal in der Gegenwart mit Melody und Daniel wiederfindet, mal in der Vergangenheit an der Seite von Lady Abigail die Ereignisse miterlebt. Bildhafte Beschreibungen lassen nicht nur das alte Anwesen vor dem inneren Auge des Lesers entstehen, sondern geben auch einen wunderbaren Einblick in die gesellschaftlichen Strukturen der vergangenen Zeit, in denen eine Frau eher schmückendes Beiwerk ihres Ehemannes war und den Konventionen Folge leisten musste. Wie erfrischend, wenn die Hauptprotagonistin dann dem Gegenteil entspricht und sich als Dame der Gesellschaft für die Armen und Geknechteten einsetzt, auch wenn sie sich damit selbst in große Schwierigkeiten bringt. Der historische Hintergrund wurde geschickt mit der Handlung verwoben und klärt den Leser über die damals allseits üblichen Arbeitsverhältnisse in den Fabriken auf, die auch vor Kindern nicht Halt machen und die Menschen all ihrer Kräfte beraubt, sie regelrecht ausbeutet, während sie sich kaum von ihrem verdienten Lohn ernähren können. All dies steht dem Leser bei der Lektüre lebhaft vor Augen und lässt die Gefühle Achterbahn fahren. Der Spannungsbogen wird gleich zu Beginn schon auf ein gutes Niveau gehoben, steigert sich dann aber immer weiter in die Höhe, während dem Leser nach und nach einige Geheimnisse offenbart werden.

Die Charaktere sind facettenreich und aussagekräftig gestaltet, menschliche Eigenschaften lassen sie lebendig und authentisch wirken, so dass der Leser sich ihnen gerne anschließt und mitfiebert. Melody wirkt zwar wie eine Karrierefrau, jedoch versucht sie sich mit den Nachforschungen von einer nicht mehr funktionierenden Ehe abzulenken. Sie ist offen, neugierig und kann Ungerechtigkeit nicht ausstehen. Zudem hat sie sich die berufliche Anerkennung hart erarbeitet, was ihre Familie ihr aber leider eher negativ auslegt. Lady Abigail ist eine herzensgute, einfühlsame und hilfsbereite Frau, die gegen Windmühlen kämpft und dabei Mut sowie Selbstbewusstsein beweist. Aber auch Daniel und Oliver Rashleigh sind für die Handlung von enormer Wichtigkeit.

„Der Faden der Vergangenheit“ lassen den Leser von der ersten Seite durch Familiengeheimnisse, eine Reise in die Vergangenheit, Liebe, Mord und starke Frauencharaktere an den Seiten kleben. Sehr unterhaltsam und kurzweilig zu lesen, was eine verdiente Leseempfehlung nach sich zieht!