Rezension

Holocaust Zeugnis

Gebranntes Kind sucht das Feuer -

Gebranntes Kind sucht das Feuer
von Cordelia Edvardson

Bewertet mit 5 Sternen

"Es war zu viel und doch zu wenig, es wurde vom Feuer gesprochen, aber über die Asche geschwiegen."

Cordelia Edvardson ist die Tochter der Schriftstellerin Elisabeth Langgässer, einer glühenden Katholikin mit einem jüdischen Elternteil und des jüdischen Staatsrechtlers H. Heller. Das Mädchen gilt somit zu NS Zeiten als Dreivierteljüdin.

Aber auch schon vor der Judenverfolgung hat das Mädchen keine einfache Zeit. Die Familienkonstellation ist für die Zeit ungewöhnlich und sie wird ausgegrenzt. Die Mutter bietet keinen wirklichen Rückhalt in ihrem Wunsch nach Selbstverwirklichung, Sicherheit und dem Wunsch sich durch eine Ehe besser zu stellen. Es fehlt an Liebe und Zuwendung. Als die Zeiten immer bedrohlicher werden, versucht die Mutter die Tochter ins Ausland zu schaffen. Als sie bei der Gestapo vorgeladen werden, muss sich das Mädchen entscheiden: entweder wird die Mutter des Verrats angeklagt oder sie unterwirft sich den Rassegesetzen. "...nichts musste gesagt werden, es gab keine Wahl..." Durch ihre Unterschrift besiegelt Cordelia ihr Schicksal. Sie wird nach Auschwitz deportiert, erlebt dort den blanken Horror und muss für Josef Mengele als Schreibkraft arbeiten. Gerade die kleinen Episoden, die hier so distanziert geschildert werden, transportieren spürbar das Grauen. Cordelia überlebt und wird vom Roten Kreuz nach Stockholm gebracht. Der Kontakt, den sie ein Jahr nach der Rettung zu der Mutter sucht, verläuft unsäglich schlecht. Sie bleibt in Schweden und übersiedelt 1973 nach Israel. 

Dieser Überlebensbericht ist gerade mal 134 Seiten stark, aufgrund der Inhaltsschwere jedoch nicht schnell gelesen. Die Autorin berichtet überaus distanziert von ihrem Leben, dabei geht sie nicht chronologisch vor. Sie nennt sich: das Mädchen, die Tochter, die Frau und bleibt damit konsequent ohne Namen und in der dritten Person. Sie ist für die Freiheit der Mutter nach Auschwitz gegangen und hat dort ganz andere Liebesbeweise von Müttern erlebt. Es sind kleine Begebenheiten, die sie so eindringlich schildert, das man meint man wäre mit dabei. Die Betroffenheit, die das auslöst, hinterlässt lange Zeit Erschütterung. Es ist beeindruckend, wie emotional die Auswirkungen eines so distanziert geschriebenen Textes ist.

Ein unglaublich beeindruckendes Zeitzeugnis, das nicht in Vergessenheit geraten sollte. Durch das Nachwort von Daniel Kehlmann werden nochmal Fakten angereichert und Dinge gut erläutert. 

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