Rezension

intelligent und humorvoll

Ein Gentleman in Moskau - Amor Towles

Ein Gentleman in Moskau
von Amor Towles

Bewertet mit 5 Sternen

Ein wirklich empfehlenswertes Buch ist der im September im List-Verlag erschienene Roman "Ein Gentleman in Moskau" von Amor Towles (53). Dieser erst zweite Roman des Amerikaners (40 Wochen unter den "New York Times"-Bestsellern, in über 20 Sprachen übersetzt) schildert auf ungewöhnliche, überaus intelligente und wunderbar ironisch-sarkastische Weise das Leben des Grafen Alexander Rostov, der 1922 zu lebenslangem Hausarrest im Moskauer Luxushotel Metropol verurteilt wird. Wir erfahren, wie der anfangs 32-jährige Adlige über drei Jahrzehnte bis 1954 sein Leben im Hotel meistert, wo er - statt wie früher als Gast dauerhaft in einer mehrräumigen Suite - jetzt als Oberkellner in einer winzigen Dachkammer leben muss. Als in Ungnade gefallene "Ehemalige Person" hadert der Graf nicht etwa mit seinem Schicksal, sondern bleibt jener gebildete Aristokrat und Gentleman, als der er erzogen und aufgewachsen ist. Anders als die jetzt herrschenden Bolschewiken meinen, ist er keineswegs aus dem Weltgeschehen verbannt, sondern ist - im Gegenteil - die Sonne, um die sich ihre Welt dreht: Der Graf steht im Roman für die zeitlosen, beständigen Werte und Tugenden und bleibt über die vielen Jahre derselbe, nur Russland und die Welt ändern sich ständig. Das Hotel Metropol mit seinen je nach Machtgefüge wechselnden Gästen ist ein Abbild der Welt draußen. Autor Amor Towles gelingt es, dem Leser im Zeitraffer die jüngere wechselhafte Geschichte Russlands (Revolution, Stalin, Chruschtschow) in einem ungewöhnlich vergnüglichen Stil zu vermitteln. Bolschewismus, Kommunismus und ihre politischen Führer werden dabei gehörig auf die Schippe genommen. Towles erzählt die Geschichte seines Gentleman, der - humanistisch gebildet - als "glücklichster Mensch Russlands" über den doch vergänglichen Niederungen des politischen Alltags steht, in einem angepasst eleganten Stil, so das einem das Lesen auf jeder Seite eine Freude ist. Sein feiner, hintergründiger Humor und seine spitzfindige Wortwahl (der Übersetzerin Susanne Höbel sei gedankt!) lässt einen unaufhörlich schmunzeln. Ich habe selten einen so intelligenten, dabei humorvollen Roman gelesen.