Rezension

Interessantes Buch mit einem großen ABER

Fräulein Hedy träumt vom Fliegen - Andreas Izquierdo

Fräulein Hedy träumt vom Fliegen
von Andreas Izquierdo

Bewertet mit 3 Sternen

Das Buch lässt mich etwas ratlos zurück...

Vielleicht bin ich dem Buch voreingenommen begegnet, erwartete ich doch eine unterhaltsame Geschichte zwischen einem jungen Physiotherapeuten und einer älteren Dame – und das Ganze noch im Münsterland angesiedelt. Jackpot, dachte ich!

 

Hedy ist eine tolle Figur. Das große Aber liegt darin begründet, dass ich mir aufgrund des Klappentextes und des Anfangs des Buches viel mehr Leichtigkeit erwartet hatte: Der unvergleichliche Humor und der Wortwitz, den vor allem Hedy verbreitet, bleibt im Verlauf leider fast gänzlich auf der Strecke und blitzt nur noch hin und wieder auf. Das Buch ist gänzlich überfrachtet mit ernsten Themen, u.a. dem zweiten Weltkrieg, Legasthenie/Analphabetismus, Sterbehilfe uvm.

 

Das Buch kann ein Anstoß sein, mit Verwandten und Bekannten über den Holocaust, den zweiten Weltkrieg etc. zu sprechen, was ich auch getan habe – die persönlichen Erinnerungen sind bewegend, machen nachdenklich, lassen innehalten.

 

Der Erzählstil ist gefällig und flüssig, so dass man das Buch zügig lesen kann. Allerdings:

Sehr verkürzte Sätze und Formulierungen wechselten sich mit Passagen ab, die liebevoller erzählt wurden. Somit war auch hier der Eindruck geteilt. Die Rückblenden, in denen Hedy von ihrem Leben als Jugendlicher und junger Frau erzählt, sind größtenteils schön zu lesen.

 

Die Auflösungen bestimmter Geheimnisse oder Fragen am Ende des Buches war etwas zu leicht und für mich vorhersehbar, wie auch bestimmte Entscheidungsfindungen. Gerade in die Gedankenwelt der zweiten Hauptfigur habe ich kaum Zugang gefunden, weil innere Monologe fehlten. Jan bleibt unscheinbar und seltsam blass, auch, wenn er offensichtlich die Botschaften Hedys annimmt und Verantwortung für sein eigenes Leben übernimmt. Auf die Dauer war mir die Protagonistin Hedy etwas zu „nervig“, weil der Autor sich auf bestimmte Eigenschaften fixiert hat. Eine kleine Entwicklung gesteht er ihr aber auch zu, sie wird offener.

 

Dass die Geschichte im Münsterland spielt, ist unerheblich, kommen doch keinerlei wirkliche Bezugspunkte dort vor (außer ein Krankenhaus in Münster, das aber so beliebig bzw. gar nicht beschrieben und somit irgendwo in Deutschland liegen könnte). Der Ortsname „Telgte“ wurde offensichtlich absichtlich in „Teltge“ umbenannt. Wobei man sich daran schon stößt. Schade, dass hier soviel Potential verschenkt wurde. Wenn man schon einen regionalen Bezug wählt, dann kann man ihn doch auch auskosten?!?

 

Witzige Szenen zu Anfang und gute Botschaften, die das Buch vermittelt, führen dazu, dass ich drei Sterne vergebe. Ansonsten ist das Buch mit ernsten Themen viel zu überladen, so dass sogar hier und da der rote Faden fehlt.