Rezension

Keine Langeweile mit Molly

Entführung auf der Lower East Side -

Entführung auf der Lower East Side
von Rhys Bowen

Bewertet mit 3.5 Sternen

Flotter und spannender Cosy Crime voller Verwicklungen und Überraschungen und noch mehr Zufällen

Aus welchem Grund nur, so fragte ich mich zu Beginn der Lektüre des 12. Bandes der Molly Murphy Reihe von Rhys Bowen, hat die unabhängige, abenteuerlustig, stets aktive Protagonistin, die vier Jahre zuvor aus Irland in New York ankam, den New Yorker Police Captain Daniel Sullivan geheiratet, ihm sogar versprochen, ihre kleine Detektei aufzugeben und von nun an die im frühen 20. Jahrhundert traditionelle Frauenrolle, also die der Mutter und des Heimchens am Herd, mit ausschließlich sozialen Verpflichtungen, auszufüllen? Hatte man nicht mal in einem der Vorgängerbände darüber geredet, dass Molly ihre Aufgabe auch nach einer Heirat mit ihrem Beau keineswegs darin sieht und auch künftig nicht darin sehen würde, ihrem Gatten gehorsam zu sein und sich seinen Wünschen unterzuordnen? Nun aber sitzt sie – man mag es kaum glauben – zuhause am Patchin Place und langweilt sich, während ihr Neuvermählter weiterhin seiner ach so wichtigen Tätigkeit nachgeht, über die er keine Einzelheiten mit der neugierigen und cleveren Molly teilt, und überhaupt wenig zu Hause ist! Und wenn er denn mal da ist, muss Molly, die ehemals so Eigenwillige und Eigenständige, sich unaufhörlich belehrende Reden und Ermahnungen anhören, die sie tatsächlich auch noch widerspruchslos hinnimmt!

Um Gottes Willen, dachte ich mir, was hat Rhys Bowen nur mit ihrer quirligen, unbändigen Molly gemacht? Und warum hat sie den anfangs so sympathischen und modern denkenden Captain Sullivan zu einem nervtötenden Macho werden lassen? Nun, dieser neue Daniel bleibt uns bis zum Ende dieses Buches erhalten, während die rothaarige Molly schnell wieder, und zu meiner Erleichterung, zu ihrem alten Selbst zurückfindet, ja sich sogar noch steigert – hinter dem Rücken ihres Mannes allerdings. Genau! Die beste Basis für eine glückliche Ehe, in der jeder der Partner mit dem eigenen Kopf durch die Wand will! Bleibt abzuwarten, was Rhys Bowen mit den ehemaligen Turteltäubchen vorhat....

Natürlich kann Molly, wie wir alle, nicht aus ihrer Haut. Und weil sie einen sechsten Sinn oder das zweite Gesicht so vieler ihrer irischen Landsleute hat und buchstäblich wittert, wenn etwas faul oder wenn Gefahr im Verzuge ist, beginnt sie schon bald mehr oder weniger diskrete Nachforschungen bezüglich des Verschwindens einer vor nicht langer Zeit in New York gelandeten Landsmännin anzustellen, deren Angehörige sie, in Unkenntnis darüber, dass ihr Detektivbüro nicht mehr existiert, darum bitten, die junge Maureen zu finden. Und wie das nun einmal so ist, wenn Molly sich in eine Sache verbeißt, bringt sie sich Hals über Kopf in prekäre Situationen, die sie nicht überschauen, nicht abschätzen kann und aus denen sie nur mit viel Glück und einer ganzen Schar von Schutzengeln wieder herauskommt.

Und hier wird es zunehmend ärgerlich! Zwar zeichnet sich Molly von Anfang an durch Spontaneität aus, handelt zuerst und überlegt dann, aber in diesem Band übertreibt sie es entschieden – und fast könnte man Daniel Recht geben, wenn er ihr ihre Schnüffeleien verbieten möchte. Fast! Denn ich bin mir gar nicht sicher, ob es ihm darum geht, sie vor sich selbst zu schützen (was manchmal dringend notwendig ist) oder um seine Autorität als Ehemann durchzusetzen, dessen Besitz die Angetraute damals nach dem Gesetz nun einmal war. Gar schauerliche Zeiten....

Doch sieht man einmal von dem ehelichen Gerangel der beiden ab, liest man einen flotten und spannenden Cosy Crime voller Verwicklungen und Überraschungen, mit den gewohnten mehrfachen Handlungssträngen, die, wie stets, allesamt zusammenhängen und am Ende zusammengeführt werden, durchaus logisch und ohne an den Haaren herbeigezogen zu sein, obwohl Freund Zufall – grundsätzlich legitim in einem Roman – vielleicht ein wenig zu eifrig bemüht wird.

Der Hintergrund – die Lower East Side in New York, Westchester County, wohin Molly geschickt wird, um die heißen Tage bei der Schwiegermutter zu verbringen, sowie ein düsteres Nonnenkloster, in dem junge unverheiratete Frauen ihre Kinder zur Welt bringen, für die dann passende Familien gefunden werden – ist interessant wie immer und wie gewohnt auch gelingt es der Autorin, ein faszinierendes Bild der Zeit, in der sie ihre Serie angesiedelt hat und ihrer, für uns Leser des 21. Jahrhunderts kaum noch nachvollziehbare, Gepflogenheiten zu vermitteln. Vielleicht mit weniger Esprit und Humor als in den ersten Bänden – was aber bei Bücherreihen nicht selten ist. Dennoch – und hier überlasse ich Mollys exotischen, kämpferischen, durch und durch feministischen Freundinnen Sid und Gus das letzte Wort: „Mit Molly wird es nie langweilig“!