Rezension

Kritisch – realistisch – gut

Isch geh Schulhof - Philipp Möller

Isch geh Schulhof
von Philipp Möller

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich habe mich riesig gefreut, als ich das Buch geschenkt bekam und habe auch sofort angefangen zu lesen. Ich bin selbst seit Beginn des Schuljahres ’12/’13 (Fach-)Lehrerin einer Grundschule in einem sogenannten sozialen Brenntpunkt und habe dort sehr ambivalente Erfahrungen gemacht. Oft habe ich mir gesagt: “In Berlin ist es noch schlimmer…” und nun konnte ich mit Isch geh Schulhof einen Erfahrungsbericht von einem als Diplompädagogen in Erwachsenenbildung ausgebildeter Quereinsteiger lesen, der an einer “mittleren” Berliner Grundschule entstand.

“Aber ebenso eine Stadt, in deren Bildungssystem, wie ich heute gelernt habe, einiges im Argen liegt. Es ist so marode, dass [...] ein Großteil der Kids an meiner Schule nur geringe Chancen haben, sich eine bessere Zukunft zu erarbeiten, als die, die sie zu Hause erleben. Damit sich das für Kinder  in meiner Klasse wenigstens ein bisschen ändert, muss ich da anpacken, wo ich sie erreichen kann: in der Schule.
Immerhin ist damit klar, warum ich mir das Chaos morgen wieder antue.” S. 54

Um es kurz zu fassen, habe ich viele Parallelen entdeckt, mich selbst an manschen Stellen wiedergefunden, doch (zum Glück) auch Unterschiede ausmachen können. Dabei habe ich wirklich sehr viele Textpassagen gefunden, die ich prompt unterschreiben würde, bei denen es um Dinge geht, bei denen man einfach den Kopf schütteln muss. Wie kann es z.B. sein, dass ein junger (in meinem Fall ausgebildeter) Lehrer sechs Wochen ohne Gehalt auskommen muss, nur weil die Behörden schön Geld einsparen wollen?! Wieso denken sich “die von oben” immer neue Dinge aus, die an der Schule als Institution verschlimmbessert werden sollen, ohne darauf zu achten, dass die personellen Ressourcen vorhanden sind?! Über so etwas kann ich mich stundenlang aufregen – und es gibt zahlreiche Dinge, die einmal gesagt werden müssten. Philipp Möller tut dies in seinem Buch und darüber bin ich froh. Dabei ist dieses Buch im Gegensatz zu so manch anderer Lektüre über das Lehrerdasein an Schulen nicht humoristisch gemeint, sondern möchte aufrütteln. Sicher hat die eine oder andere geschilderte Szene zweifelsohne einen hohen Wert an Situationskomik, doch wird hier der Ernst der Lage nicht ins Lächerliche gezogen! Ein Beispiel, das mir im übrigen (in Gedanken) ähnlich passiert ist:

“So geht er die weiteren Namen durch, bis er bei Enis angekommen ist.
‘Enis?’, fragt er überrascht. “Dit reimt sich ja uff Penis! Mensch, wat ham sich deine Eltern dabei jedacht?’” S. 214

Mir hat die Lektüre von Möllers Buch sehr gut gefallen. Es ließ sich sehr gut lesen und die Seiten auf denen er seinen Alltag in der Berliner Grundschule beschreibt flogen nur so dahin. Dabei schildert er die schönen Momente seines 24-monatigen Lehrerdaseins genauso wie die Verzweiflung und die Verwirrung, die der Beruf mit sich bringt sehr plakativ und zeigt die Probleme die das gesamte Schulsystem (und das nicht nur in Berlin) hat gekonnt auf. Er verwendet dazu nicht nur die Berliner Mundart, sondern auch die Sprechweise der Schüler (“Züüüüüsch.”) kommt in den Dialogen realistisch zur geltung. Ich hätte mir mitunter statt der einen oder anderen kurzen Zusammenfassung noch mehr Details geschwünscht, obwohl das Buch mit seinen 359 Textseiten doch schon sehr umfangreich ist.

“Eines steht nach den vierundzwanzig Monaten, die ich hier nun gearbeitet habe, ganz sicher fest: Langweilig wird es an einer solchen Schule nie. Wer sich einen Beruf mit Action wünscht, wer gern Verantwortung für Heranwachsende unterschiedlichster Herkunft übernimmt, wer emotionale Herausforderungen sucht und über eine hohe Widerstandskraft verfügt – der ist hier genau richtig.
Alle anderen lassen es lieber bleiben.” S. 345f.

Fazit: Isch geh Schulhof ist in Gegesatz zu so manch anderer “Lehrerleküre” nicht so überzogen, sondern betrachtet das Schulsystem mit einem kritischen Blick. Ich habe viele Stellen entdeckt, mit denen ich mich indentifizieren kann. Ein Buch, das ich im Kollegium auf jeden Fall bekannt machen werde und auch sonst nur sehr empfehlen kann.