Rezension

Leben in der Grauzone zwischen Krieg und Frieden

Graue Bienen
von Andrej Kurkow

Bewertet mit 5 Sternen

Ein warmherziges melancholisches Buch um Krieg und Frieden und die Grauzone dazwischen, um Heimat und Mitmenschlichkeit

Es gibt fiktive Personen, die man regelrecht 'lieb gewinnt'. So einer ist Sergej Sergejetsch. Er und Paschka, sein 'Feindfreund' seit Kindertagen, beide 49 Jahre alt, leben seit fast drei Jahren als einzige verbliebene Bewohner eines kleinen Dorfes in der Nähe von Donezk und der Frontlinie zwischen Ukrainern und prorussischen Separatisten, in der sog. Grauen Zone.

Sein Haus. 'Es stand im Krieg, aber es nahm nicht daran teil.' (eBook 359)

Seit seine Ehefrau Witalina ihn mit der Tochter verlassen hat, führt er ein einsames Leben ohne jede Annehmlichkeit, ohne Elektrizität - wenn da nicht seine Bienen wären. Sie sind es auch, warum er bleibt und sie sind es, weswegen er dann doch aufbricht, um sie ohne fernes Geschützfeuer den Sommer über in Ruhe ihren Honig sammeln zu lassen. Und wir als Leser nehmen an seiner nicht ungefährlichen Reise teil und erfahren direkt, aber auch in Nebensätzen und zwischen den Zeilen eine Menge über Russen und Ukrainer, was der seit 2014 andauernde Krieg um den Donbass den Menschen antut und wie er sie verändert.

Man könnte diese Geschichte vierteilig sehen: sein einsames Leben im Dorf, die Reise und die Weiterreise – wobei ich hier nicht verraten und nicht andeuten will, wohin es geht und was alles passiert – und die Rückreise, wo man als Leser immer bangt, wie es wohl ausgehen mag. Auch wenn ich nichts vorwegnehmen möchte, kann ich doch versichern, dass man das Buch ohne größeren Schmerz lesen kann. Allerdings schwebt eine latente Melancholie und Traurigkeit über dem Ganzen. Das liegt nicht nur an Sergejs teils selbstgewählter Einsamkeit, sondern auch an den mitmenschlichen Erlebnissen, die immer wieder zeigen, was Menschen einander antun.

Es ist ein sehr poetisches Buch in leisen Tönen, zarten Naturbeschreibungen und der STILLE, die in Variationen immer wieder vorkommt.

'Stille ist etwas Relatives und als persönliche Klangerscheinung stimmt jeder Mensch sie nach sich selbst...' (eBook 24)

Es zeigt aber auch deutlich die Sinnlosigkeit des Krieges, die Verwirrung, die er im Leben der Menschen stiftet und wirft Fragen auf: Warum können die Menschen nicht in Frieden miteinander leben? Warum gibt es so viele, die bei Untaten jeglicher Art mitmachen? Ohne diese Mitläufer und Mittäter wäre das alles nicht möglich. Fragen, auf die es nie eine Antwort geben wird.

Dem setzt Andrej Kurkow Mitmenschlichkeit und die Liebe zu den kleinen Dingen des Lebens und der Natur entgegen, den kleinen Trost, den die Menschen sich spenden und die Hilfe bei alltäglichen Dingen.

Ich finde, es ist ein wunderbares lesenswertes Buch, das sicher noch eine Zeitlang in mir weiterklingen wird.