Rezension

Leben ist, was man daraus macht

Ich komme mit - Angelika Waldis

Ich komme mit
von Angelika Waldis

„Leben ist Melodie erkennen im Summen des Kühlschranks.“ (Vita)

„Leben ist beim Treppensteigen zwei Stufen aufs Mal.“ (Lazy)

„Leben ist Lachen beim Kitzeln.“ (Vita)

„Leben ist Sich-umdrehen-Wollen, nachdem man an etwas Schönem vorbeigegangen ist.“ (Lazy)

Leben-ist-Sätze, nicht nur dieses philosophische Spiel verbindet zwei sehr unterschiedliche Menschen. Lazar Laval, genannt Lazy, ist Anfang 20, Student, und todkrank. Evita Maier, genannt Vita, ist Anfang 70 und lebensmüde. Seit vielen Jahren wohnen sie im selben Haus, können einander aber nicht besonders leiden. Haben sie zumindest lange gedacht. Für Lazy war Vita stets die komische Alte von oben, für Vita war Lazy der unfrohe Junge aus dem ersten Stock. Dann lernen sie einander eher aus Versehen kennen: Vita liest einen völlig erschöpften Lazy im Treppenhaus auf und nimmt ihn mit in ihre Wohnung. Nach und nach finden beide heraus, dass sie das Zeug zu einer ganz besonderen Freundschaft haben. 

„Ich komme mit“ ist ein besonderes Buch mit einer besonderen, fast poetischen Sprache. „Wenn wir gehen, hüpft sie. Wenn wir laufen, springt sie. Wenn wir reden, saust sie“, sagt Lazy über seine große Liebe Elsie, und: „Seit sie bei mir ist, bin ich nicht mehr bei mir, ich bin au­ßer mir.“ Doch dieses  Glück ist nicht von Dauer. Lazy erkrankt an Leukämie, und Elsie bleibt nicht bei ihm. Dafür tritt Vita in sein Leben, und Lazy in ihres. Vita ist des Lebens überdrüssig und einsam - ihr Mann ist bereits gestorben und ihr Sohn weit weg. Fast ist sie selbst erstaunt, wie nah sie sich Lazy plötzlich fühlt, dem jungen Mann geht es kaum anders. Sie philosophieren und lachen gemeinsam,  nehmen einander an, wie sie sind, ohne Vorurteile. Und doch haben sie beide genug. 

„Ich habe genug vom Leben, und das Leben hat genug von Lazy“, stellt Vita fest. Denn bald gibt es kaum noch Hoffnung für Lazy, es geht ihm immer schlechter. „Ich steige aus“, sagt Lazy - und statt es ihm auszureden, sagt Vita: „Ich komme mit.“ Ihre letzte Reise gestaltet sich wie das gesamte Buch: tieftraurig und urkomisch zugleich, bleischwer und federleicht und immer etwas anders als gedacht: „Öh vürrückt“, denkt Vita, „öh vürrückt, was wir da beide machen.“ Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, gelacht und auch etwas geweint. Die Geschehnisse werden abwechselnd aus der Sicht von Vita und Lazy erzählt, wobei ich besonders Vitas Ansichten oftmals sehr treffend oder auch sehr überraschend fand, was aber auch Lazy mehrfach neidlos feststellt.  Mein Fazit: ein schönes Buch mit schöner  Sprache, das dem Leben gewidmet ist. „Leben ist etwas vorm Sterben“, sagt Lazy. Was man daraus macht, bleibt auch immer jedem selbst überlassen.