Rezension

Lost and found

Billy Summers -

Billy Summers
von Stephen King

Bewertet mit 4.5 Sternen

Billy Summers, ehemaliger Scharfschütze bei den Marines, ist Auftragskiller, hat aber seine festen Prinzipien, wenn es um seine Opfer geht: Er tötet ausschließlich schlechte Menschen. Ein solcher ist auch sein aktueller Auftrag, denn er hat einen Unschuldigen ermordet und Frauen verprügelt. Für den Job soll er viel Geld bekommen – so viel, dass es sein letzter werden wird. Billy will sich im Anschluss zur Ruhe setzen. Doch dieser Coup ist ein abgekartertes Spiel und der Jäger wird alsbald selbst zum Gejagten.

Stephen King beweist mit »Billy Summers« erneut wie gut er komplexe Geschichten auf diversen Ebenen erzählen kann. In seinem neuesten Werk bekommt der Leser gleich mehrere ineinander verschachtelte Geschichten serviert, denn der Protagonist Billy legt sich eine geniale Tarnung für seinen Auftragsmord zurecht. Er mimt einen Schriftsteller, der endlich bei seinem Verlag abliefern soll. Und so bereitet sich Billy auf den Mord vor und weil er alles andere als dumm ist und sich stets absichert, auch auf seine eigene Flucht mit einer neuen Identität, von der die Auftraggeber nichts wissen sollen. Und während der langen Zeit der Vorbereitung und des Wartens auf den Schuss, beginnt Billy tatsächlich zu schreiben: Er erzählt seine eigene Lebensgeschichte, die schon bald ihre ganz eigene Sogwirkung entwickelt.
Billys Instinkte trügen ihn nicht, seine Vorsichtsmaßnahmen stellen sich als berechtigt heraus, denn er wird von seinen Auftraggebern betrogen und muss untertauchen. Der bis dahin ruhige Erzählton nimmt Tempo auf, Thriller und Krimielemente kommen hinzu, während Billy zunächst flieht, dann aber bald auf Rache sinnt.
Im weiteren Verlauf der Handlung trifft Billy dann noch auf eine junge Frau, die ihren ganz eigenen Albtraum durchlebt. Für mich sind Billy und Alice zwei äußerst tragische Figuren, deren Begegnung wiederum eine glückliche Fügung darstellt. Beide sind verlorene Seelen, die sich finden, wahrhaftig sehen und einander retten – tatsächlich und metaphorisch.

King zeichnet seine Charaktere hervorragend und mit viel Liebe zum Detail. Er zeigt sie in all ihren Facetten, denn niemand ist auschließlich gut oder schlecht. Wir Menschen zeichnen uns durch unsere Taten aus, sind geprägt von Moral und unsren Gefühlen – den guten wie schlechten. Es ist diese Authentizität, die mich immer wieder bei den Figuren in Kings Werken einzunehmen vermag.

Natürlich fehlen auch hier die mehr oder wenigen subtilen King-typischen Referenzen zu den eigenen Werken nicht. Immer wieder eine Freude für alle Fans – so wie eben auch der ganze Roman nicht nur eine Geschichte, sondern ein Teil seines großen und ganzen Schaffens ist. Für mich eine überaus gelungene, überwiegend ruhige Erzählung, die ganz ohne Horror oder Übernatürlichem auskommt und trotzdem hervorragend unterhält.